Sammlungsgeschichte
Die Sammlungen der Arachnologie und Myriapodologie können auf fast 150 Jahre Geschichte zurückblicken und gehören damit zu den ältesten in Hamburg. Die ersten Präparate wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Händlern und Mäzenen - zumeist Bürgern der Stadt Hamburgs – und für Lehrzwecke am ehemaligen Gymnasium Johanneum zusammengetragen und zunächst dort aufbewahrt. Unter Karl Kraepelin gelang 1891 die Zusammenführung dieser Sammlung von Präparaten im Naturhistorischen Museum in Hamburg. Als Direktor dieses damaligen Museums forschte Kraepelin vor allem an Skorpionen, sogenannten Gliederspinnen (Geißelspinnen und Geißelskorpionen) und auch an Skolopendern. Weltweit einmalig ist die auf ihn zurückgehende Sammlung von Skorpionen die über mehr als 100 Jahre aufgebaut wurde und aufgrund der hohen Anzahl von Primärtypen von Wissenschaftlern in aller Welt frequentiert wird.
Die in der Sammlung „Arachnida“ vorhandenen australischen und ostasiatischen Spinnen (> 800 Arten) gehören zu den ersten von L. Koch und E. von Keyserling beschriebenen Arachniden aus diesen Gebieten und sind eine unverzichtbare Ressource für die heutige zoologisch-systematische Forschung. Diese wertvollen Sammlungen wurden durch die Freie Hansestadt Hamburg vom ehemaligen Hamburger Privatmuseum Godeffroy erworben und unter anderem durch Amalie Dietrich, eine der bedeutendsten Naturforscherinnen des 19. Jahrhunderts, aber auch durch viele andere Sammler des ehemaligen Museum Godeffroy zusammengetragen. Zum Zeitpunkt der Zerstörung des Museums durch einen Fliegerangriff im Jahr 1943, lagerte der Großteil dieses Materials in einem Hamburger U-Bahntunnel. Somit sind die alten Sammlungsteile bis heute fast vollständig erhalten geblieben. Zudem finden sich hier die berühmte Spinnen-Sammlungen von Friedrich Wilhelm Bösenberg aus der norddeutschen Region und eine nahezu komplette Sammlung von den in Deutschland vorkommenden Spinnenarten, welche kürzlich von Frau Barbara Baehr gestiftet wurde, sowie ältere Präparate von Albert Tullgren und Reginald Pocock. Ebenfalls wichtig ist die Sammlung von Weberknechten und Walzenspinnen, die durch Carl-Friedrich Roewer beschrieben wurde und viele Typen enthält. Die Sammlung der Asselspinnen geht auf die Fahrten der Forschungsschiffe „Walther Herwig“ und der „Polarstern“ in den Tiefen des Südatlantiks zurück.
Die vorhandene und große Sammlung mikroskopischer Präparate von Milben wurde nach dem Krieg durch Kauf, Schenkungen und Bearbeitung von zugeschicktem Material neu aufgebaut, denn alle vorher vorhandenen Präparate verbrannten bei dem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg. Die Milbensammlung ist die größte ihrer Art in Deutschland und bei einigen Milbengruppen zugleich eine der wichtigsten Sammlungen weltweit. Die Hamburger Sammlung vereint die Sammlungen zahlreicher anerkannter Spezialisten, wie z.B. Karl Viets (Schwerpunkt auf aquatische Milben), Max Sellnick (terrestrische Milben), Fritz L. Lukoschus (parasitische Milben), Ludwig Schaarschmidt (Weichhautmilben), Hans Regenfuß (ektoparasitische Podapolipidae), Gisela Rack (haus- und vorratsschädliche Milben), Herbert Krczal (Kugelbauchmilben), Carl Bader (Süßwassermilben), Warren T. Atyeo (Federmilben), Otto Woelke (Bodenmilben) und Ilse Bartsch (Meeresmilben).
Die in der Teilsammlung der Tausendfüßer „Myriapoda“ vorhandenen Präparate sind ebenso wertvoll wie die der Spinnentiere. Hier finden sich umfangreiche Myriapoden -Serien aus Afrika, Südamerika und Südwest-Australien, die unter anderem auf den Forschungsreisen des Wilhelm Michaelsen – ehemaliger Professor der Zoologie in Hamburg – zurück gehen. Es sind viele Typen in den Sammlungen erhalten und das Material wurde den Pionieren der Myriapodenforschung bearbeitet, darunter Carl August Graf von Attems, Karl Wilhelm Verhoeff, Reginald Pocock und Filippo Silvestri.
Die Teilsammlung der Bärtierchen und Stummelfüßer „Tardigrada und Onychophora“ wurde ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut. Die umfangreiche Kollektion terrestrischen Bärtierchen geht auf Hieronymus Dastych zurück, der die arachnologische Sammlung von 1991-2012 als Kustos führte. Sie umfasst mehrere hundert Präparate und zahlreiche Primärtypen. Die Sammlung der Stummelfüßer wurde durch Prof. Hilke Ruhberg entscheidend erweitert und wird von Ihr auch für die aktuelle Forschung erschlossen.
Über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren wurde die Sammlung lediglich durch vier Kustoden betreut und entwickelt: Karl Kraepelin (1887-1914), Gisela Rack (1959-1991), Hieronymus Dastych (1991-2012) und Danilo Harms (seit 2016). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Sammlung zunächst durch Herbert Weidner (1948-1959) kommissarisch betreut. Sie wurde nach ihrer Exhumierung aus U-Bahntunneln zunächst durch Weidner (1959-1960) und später durch Rack (1960-1974) inventarisiert und katalogisiert. Da seit den letzten Bestandskatalogen mehrere Dekaden verstrichen sind, werden aktuell wieder Sammlungskataloge durch Kustos Harms und Sammlungsmanagerin Nadine Dupérré herausgegeben.