Schatz des Monats: Kleine Schnecke mit großer Geschichte
26. Oktober 2020
Foto: UHH/CeNak, Jennifer Lauschke
Aus dem Museum Godeffroy über Umwege in die malakologische Sammlung des CeNak: ein Syntypus der für Samoa endemischen Art Omphalotropis bifilaris.
Sie hat sich für ihr Alter gut gehalten: Die kleine Schnecke Omphalotropis bifilaris stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist unser Schatz des Monats im Oktober. Ihr Häuschen ist nur wenige Millimeter groß, kegelförmig und wurde von dem namhaften Naturforscher Eduard Graeffe gesammelt. Es stammt ursprünglich aus dem Museum des hanseatischen Reeders und Kaufmannes Johan Cesar VI. Godeffroy. Er entsandte über Jahrzehnte hinweg Naturforschende in die südpazifische Inselwelt, um Exponate für sein Privatmuseum sammeln zu lassen. Diese kostbaren Schätze sind in vielen Sammlungen am CeNak zu finden und von großer wissenschaftlicher Bedeutung.
Von Samoa nach Hamburg
Unser Schatz des Monats Oktober hat eine weite Reise hinter sich. Omphalotropis bifilaris ist eine für Samoa endemische Art – also nur dort heimisch und nirgends sonst auf der Welt verbreitet. Mit einem Durchmesser von 3,4 Millimetern und einer Höhe von 5,3 Millimetern ist unser Schatz bereits ausgewachsen. Bislang ist über die Art noch sehr wenig bekannt. Sie gehört in dieselbe Familie wie die entlang der Nordseeküsten verbreitete Marschenschnecke.
Die Individuen, auf denen die Beschreibung einer neuen Art beruht, werden als „Typen“ bezeichnet. Wenn heute eine neue Art beschrieben wird, wird meist ein einzelnes Individuum als "Holotypus", der "Urmeter" für die Verwendung des neuen Namens, festgelegt. Im 19. Jahrhundert gab es die "Internationale Regeln für die Zoologische Nomenklatur", in denen dieses Verfahren festgelegt wurde, jedoch noch nicht. Wenn kein Holotypus festgelegt wurde, werden alle Individuen, die bei der Orginalbeschreibung vorlagen, als Syntypen bezeichnet. Unser Schneckenhaus ist daher ein Syntypus. Insgesamt finden sich in der malakologischen Sammlung des CeNak 257 Holotypen und 340 Syntypenserien.
Ein seltenes Häuschen
In der Typenserie unseres Schatzes befinden sich sechs weitere Objekte. Es ist jedoch die einzige Serie seiner Art in der Sammlung des CeNak. Dort wird sie trocken, also nicht in Alkohol eingelagert, aufbewahrt. „Dass das Objekt einer der Syntypen ist, macht es so wertvoll und wichtig für die Sammlung des CeNak. Typen sind von entscheidender Bedeutung bei dem Benennen neuer Arten. Sie legen fest, wie der Name einer Art zu verwenden ist“, weiß Prof. Dr. Bernhard Hausdorf, Leiter der Forschungsabteilung Malakologie am CeNak.
Der „König der Südsee“
Johan Cesar VI. Godeffroy (1813-1885) war ein hanseatischer Unternehmer – auch bekannt als „König der Südsee“. Er besaß nicht nur mehrere Schiffe, Plantagen und Stahlwerke, sondern unterhielt darüber hinaus das reichste naturkundliche Privatmuseum der Welt. So entsandte er Naturforschende, wie den Zoologen Eduard Graeffe oder die Botanikerin Amalie Dietrich, nach Australien und in die Südsee. Dort ließ er sie viele bisher unbekannte Tier- und Pflanzenarten sammeln. Die Präparate zeugen bis heute von der systematischen Erschließung und Erforschung der Südsee durch Godeffroy. Zugleich waren Entwicklungen in den Naturwissenschaften jedoch auch mit Ausbeutung und der kolonialen Expansion des deutschen Reiches verbunden. Die stetige Expansion seines Unternehmens „Joh. Ces. Godeffroy & Sohn“ führte schließlich zu dessen Untergang: 1879 meldete es Konkurs an und Teile der Sammlung wurden verkauft, zum Beispiel an das Hamburger Naturkundemuseum. Weitere Stücke, wie unser Schatz des Monats, gelangten über Umwege wie das Altonaer Museum in die Sammlungen des CeNak.
Kontakt
Prof. Dr. Bernhard Hausdorf
Leiter Abt. Malakologie
Centrum für Naturkunde
Universität Hamburg
Tel.: +49 40 42 838-2284
E-Mail: Bernhard.Hausdorf@uni-hamburg.de( Bernhard.Hausdorf"AT"uni-hamburg.de)