Ausstellungsdesign: Zwischen Fakten und Fantasie
26. März 2021
Foto: UHH/CeNak, Paran Pour
Ausstellungsdesignerin Julia Pawlowski und Tischler Martin Reinhardt beim Aufbau der Ausstellung.
Das Eozän ist ein längst vergangenes Zeitalter, das vor etwa 34 Millionen Jahren endete. Wie erweckt man die Natur dieser Zeit für eine Ausstellung zum Leben? Wie gelingt es, Besucherinnen und Besucher mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, Fossilien und Fragmenten zum Staunen zu bringen? Julia Pawlowski ist Designerin mit Schwerpunkt visuelle Wissenschaftskommunikation. Zusammen mit den wissenschaftlichen Kuratoren hat sie der Eozän-Ausstellung ihr Gesicht gegeben.
Ausstellungsdesignerin Julia Pawlowski im Interview:
Wie holen Sie ein längst vergangenes Erdzeitalter zu uns in die Gegenwart?
Um dies zu schaffen, galt es für mich zunächst, mit den üblichen Sehgewohnheiten und visuellen Erwartungen, die man mit einer paläontologischen Ausstellung häufig verbindet, bewusst zu brechen. Die Besucherinnen und Besucher erwarten zwar auch Fossilien in typischen Grau- und Brauntönen – doch tauchen sie darüber hinaus in eine äußerst bunte Farbwelt ein.
Die Ausstellung ist dabei nicht nur thematisch, sondern auch visuell in drei Teile eingeteilt: Blau steht hier für die kosmische Katastrophe des Meteoriteneinschlages, ohne den es das Eozän so gar nicht gegeben hätte. Grün steht für die vielfältige Dschungelwelt, die im Deutschland des Eozäns die Landschaft prägte, wie wir uns das heute kaum noch vorstellen können. Das Abendrot rundet die Ausstellung ab, in dem die großen Bernsteininklusen in ihrem typischen Gelb besonders zur Geltung kommen und dem Wort „Sonnensteine“, wie Bernsteine ja auch genannt werden, eine neue visuelle Ausdrucksmöglichkeit verleiht.
Außerdem bedeutet der Name „Eozän“ Neuanfang, kann aber auch für „Morgenröte“ oder „Tagesanbruch“ stehen. Daher verbindet alle drei Farbwelten eine weitere visuelle Komponente – am Saum der Informationstafeln und Ausstellungsmöbel ist eine kleine Lichtleiste angebracht. Die Sonne ist also, je nachdem, in welcher Farbwelt sich die Besucherinnen und Besucher gerade bewegen, immer als Schimmer präsent. Wie bei einem Tagesanbruch.
Inwiefern hilft uns eine Ausstellung, wissenschaftliche Zusammenhänge zu verstehen?
Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Fossilien und Bernsteinfunde aus dem Eozän untersuchen, haben sie aufgrund ihrer Expertise bereits viel Hintergrundwissen zu den einzelnen Objekten, das sie direkt in ihren Köpfen verbildlichen und in einen umfassenderen Kontext setzen können. Beispielsweise haben sie Ideen und Wissen dazu, wie ein bestimmtes Tier gelebt, wie es ausgesehen und was es gefressen haben könnte oder wie sein natürliches Lebensumfeld war.
Wenn Besucherinnen und Besucher in einem Museum ein fossiles Skelett anschauen, fehlt ihnen häufig dieses umfassende Kontextwissen und damit entgeht ihnen oftmals auch die Sensation und das geballte Wissen, das sich hinter einem einzelnen Fund verbergen kann.
Als Kommunikationsdesignerin habe ich die Aufgabe, möglichst viel dieses Kontextwissens und auch all die Fragen, die Forscherinnen und Forscher zu einem bestimmten Fossil beschäftigen, direkt für die Besucherinnen und Besucher sichtbar zu machen. Ich werde gewissermaßen zur Übersetzerin zwischen der Forschung und der Öffentlichkeit.
Daher ist die Ausstellung sehr bildreich und farbenfroh – in jeder Ecke versteckt sich eine Abbildung eines Lebewesens aus dem Eozän, oft auch in unterschiedlichen Stilen und Varianten, die von Fotografien zu gemalten Illustrationen bis zur 3D-Animation reichen. Denn auch wissenschaftliche Arbeit ist oft ein mosaikartiges Stückwerk aus Theorienentwicklung, Untersuchung und Aufbau auf bereits gewonnenem Wissen. Es ist nie ganz fertig und setzt sich aus vielen Fragmenten zusammen. Die bildreiche Ausstellung ist damit eine Art Verbildlichung des aktuellen Forschungsstands und der dazugehörigen Forschungsfragen – und ermöglicht den Besucherinnen und Besuchern einen neuen Zugang dazu.
Welcher Spannungsbogen führt unterschiedlichste Besucherinnen und Besucher durch die Ausstellung?
Die Besucherinnen und Besucher können die Welt des Eozäns aus ganz verschiedenen Blickwinkeln kennenlernen: Während es im Dschungelraum wie in einer Zeitreise vor allem um den früheren Messelsee und die Lebenswelt im eozänen Deutschland geht, bietet der Bernsteinraum die Möglichkeit, die Perspektive der Wissenschaft einzunehmen: Wie werden Bernsteininklusen erforscht? Und was sehen die Forscherinnen und Forscher, wenn sie in ein Mikroskop schauen? Für jeden Blickwinkel wurden entsprechend Exponate, Texte und auch visuelle Schwerpunkte gewählt. In der Entdeckerlinie werden zudem Kinder und ihre Begleitpersonen von unserem „Forscherchen“, einem kleinen Maskottchen, an die Hand genommen und spielerisch durch die Ausstellung geführt.
Julia Pawlowski ist Designerin mit Schwerpunkt visuelle Wissenschaftskommunikation. Sie arbeitet als Ausstellungsdesignerin, Grafikerin und als Beraterin zur visuellen Präsentation von Forschungsarbeiten. Zur Bildergalerie "Experimentierfeld Ausstellungsbau"
Mehr Informationen zur Sonderausstellung "Eozän - Am Beginn unserer Welt"