Handel mit Tropenfisch: DNA-Analytik kann Etikettenschwindel eindämmen
27. Januar 2021
Foto: W. Rebmann
Bei Kontrollen fallen Falschdeklarationen häufig bei tropischen Fischarten aus afrikanischen und asiatischen Herkunftsländern auf – hier eine typische Mix-Kiste mit verschiedenen tropischen Fischarten: ein Zackenbarsch, ein Schnapper und ein Papageienfisch.
Auch in edlen Restaurants landet nicht immer Red Snapper auf dem Teller, wenn er auf der Speisekarte steht. Der Etikettenschwindel kann gesundheitliche Folgen haben. Eine Studie unter Mitwirkung von Henrik Kusche, Leiter Sammlungsmanagement und Digitalisierung am CeNak, belegt, dass etwa ein Drittel aller untersuchten Proben bereits bei der Einfuhr am Flughafen Frankfurt fehlerhaft deklariert war. Um den Verbraucherschutz zu optimieren, hält Henrik Kusche daher die DNA-Analytik oder Schnelltests als Standard bei Kontrollen für sinnvoll.
Ein Gespräch mit Henrik Kusche:
Was konnten Sie in der Studie, veröffentlicht in Food Control, herausfinden?
Falschdeklaration bei tropischen Fischen zu erkennen, ist eine große Herausforderung für die Einfuhrkontrolle. Für die Studie am Thünen Institut für Fischereiökologie habe ich die Probennahme von Fischgewebe am Flughafen Frankfurt mit der zuständigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung koordiniert, die für die Überwachung der Fischetikettierung zuständig ist.
Durch genetische Analysen der Proben und die Auswertung von Bildmaterial konnte ich über einen Zeitraum von drei Jahren feststellen, dass 31 Prozent der 1 000 untersuchten Fische falsch deklariert waren. Bei der schwerpunktmäßig untersuchten Art des Red Snappers waren es sogar 100 Prozent. Unter allen aufgedeckten Substitutionen fanden sich 46 Prozent potenziell mit Ciguatoxinen belastete Fischarten; bei den korrekt-deklarierten waren es lediglich 17 Prozent. Mitunter birgt der Verzehr von falsch-etikettierten Fischen also erhebliche Gesundheitsrisiken für den Verbraucher.
Wie sicher lassen sich essbare Fischarten von Arten unterscheiden, die nicht zum Verzehr geeignet, aber für den Handel als bekannte Speisefische etikettiert sind?
Das ist sehr unterschiedlich. Bei einigen artenreichen tropischen Fischfamilien existieren oftmals etliche nahverwandte Arten, die für den Laien sehr ähnlich aussehen. Bei den Schnappern (Lutjanidae) gibt es eine ganze Reihe von Arten, die dem hochpreisigen und beliebten Speisefisch Red Snapper Lutjanus malabaricus sehr ähneln. Einige dieser leicht zu verwechselnden Arten, beispielsweise der Doppelfleckschnapper Lutjanus bohar, sind sogar potenziell für den Menschen gefährlich. Diese tropischen Fische können mit Ciguatoxinen belastet sein – was nach dem Verzehr zu Ciguatera-Vergiftungserscheinungen führen kann. Derartig problematische Substitutionen haben offenbar in den vergangenen Jahren zu dutzenden Ciguatera - Vergiftungen in Deutschland geführt.
Wie zuverlässig sind Kontrollen im internationalen Fischhandel?
Das ist eine Frage der Perspektive, denn diese können auf mehreren Ebenen stattfinden, beispielsweise direkt bei der Einfuhr, aber auch erst später in der Wertschöpfungskette – also beim Einzelhändler oder gar im Restaurant.
Bei der Einfuhr von Frischfisch oder Erzeugnissen der Fischerei über den Luftweg sind in Deutschland spezielle Etikettierungsvorschriften zu beachten. Bei der Einfuhrkontrolle wird neben Angaben zum Fanggebiet oder dem Ursprungsland auch auf die korrekte wissenschaftliche Artbezeichnung geachtet. Viele Fischarten lassen sich aber nur sehr schwer von nah verwandten Arten unterscheiden, bzw. dafür sind taxonomische Expertenkenntnisse nötig. Auch die Kontrollquote variiert sicherlich stark.
Wie können Sie den illegalen Handel feststellen?
Hier bieten sich alternative Bestimmungsmethoden durch DNA-Analytik oder Schnelltests an. Diese kommen aber bislang nicht standardisiert zum Einsatz.
Beispielsweise können Fehldeklarationen bei Fischen und darüber hinaus bei fast allen anderen Tierarten durch DNA-Barcoding, d.h. durch die Analyse ihrer genetischen Fingerabdrücke, festgestellt werden. Bei dieser Methode wird die DNA einzelner Individuen mit definierten Referenzdaten verglichen. Mit einer derart zuverlässigen Methode können Experten die korrekte Artzugehörigkeit ermitteln und gegebenenfalls Substitutionen sicher feststellen.
Ob diese Fehldeklarierungen nun wissentlich vorgenommen wurden oder unbeabsichtigt aufgrund fehlender Artenkenntnis, bleibt allerdings offen. Im Umkehrschluss können aber entsprechende Bezugsquellen fehldeklarierter Ware identifiziert, kommuniziert oder beobachtet werden.
Und welche Konsequenzen hat dies für die Verbraucherschutz?
Die Analysen erlauben es, die Kontrollinstanzen und die Herkunftsquellen für das Thema zu sensibilisieren. In der Folge könnte man erwarten, dass mit steigender Erfahrung der Kontrolleure weniger fehldeklarierte Ware bei den Kontrollen durchrutscht. Gleichzeitig wird so der Verbraucherschutz gestärkt, denn nicht erkannte substituierte Fischarten können durchaus eine Gefährdung für die Konsumenten dieser Fische darstellen.
Um welche Fische bzw. Handelswege handelt es sich?
Das sind vor allem tropische Fischarten aus einigen afrikanischen und asiatischen Herkunftsländern. Oftmals sind dies auch Tiere aus Mix-Sendungen, die aus mehreren Arten bestehen.
Wie könnten die zuständigen Behörden das standardisierte offizielle Importverfahren zur Fischkennzeichnung verbessern?
Eine Idee wäre die routinemäßige Zusammenarbeit mit taxonomisch arbeitenden Institutionen wie dem CeNak. Alternativ könnten DNA- oder proteinbasierte Schnelltests direkt bei der Einfuhr durchgeführt werden, welche aber bislang nicht standardisiert zum Einsatz kommen oder deren Entwicklung noch ansteht. Zudem sind Schnelltests meist spezifisch auf bestimmte Arten konzipiert, erlauben es im Falle von Fehldeklarationen also nicht unbedingt, die tatsächliche Art zu bestimmen. Dies wiederum ist durch das DNA-Barcoding anhand des Vergleichs mit Referenzdatenbanken möglich.
Wo liegen Ihre Kompetenzen?
Ich bin ein vielseitig interessierter Evolutionsbiologe mit den Schwerpunkten Biodiversität der Fische, sowie deren Erforschung durch genetische, ökologische und morphologische Merkmale. Ich habe auch Erfahrungen in der sammlungsgestützten Forschung und im Management von ichthyologischen DNA-, Gewebe- sowie Knochensammlungen. Zuletzt habe ich verstärkt anwendungsorientierte Erfahrungen im Themenkomplex der Authentizitätsüberprüfungen und der geographischen Herkunftskontrolle von Fischen machen können. Beispielsweise war ich an der Weiterentwicklung einer DNA- und Bildreferenzdatenbank zur Fischartenidentifizierung beteiligt.
Wie können Sie diese im CeNak einbringen?
Durch meine Mitarbeit in diversen Forschungsprojekten und Arbeitsgruppen kann ich auf ein breites Erfahrungsspektrum zurückgreifen, mit dem ich die Kolleginnen und Kollegen und die Wissenschaftliche Infrastruktur des CeNak in den Bereichen Sammlungsmanagement und Digitalisierung unterstütze. An dieser spannenden Schnittstelle arbeite ich eng mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern zusammen. Ich freue mich auch sehr darüber, dass ich jüngst in ein interessantes Kooperationsprojekt mit dem Zoll und weiteren Hamburger Behörden involviert wurde mit dem Ziel der Arterkennung und Datenbankerstellung für gefährdete Wildtierarten.
Zur Studie in Food Control:
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0956713520305636
Kontakt:
Dr. Henrik Kusche
Leiter Sammlungsmanagement und Digitalisierung
Centrum für Naturkunde
Universität Hamburg
Tel.: +49 40 42 838-2782
E-Mail: henrik.kusche"AT"uni-hamburg.de