Forschung - Entomologie
Phylogenie und Evolution der Ödlandschrecken
Eines der großen Projekte der Abteilung Entomologie ist die Erforschung der Evolution der Ödlandschrecken, vor allem mit phylogenetischen und phylogeographischen, aber auch mit morphologischen und verhaltensbiologischen Methoden. Unsere bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass die Evolution dieser Gruppe sehr komplex ist und verschiedene Prozesse zu ihrem hohen Artenreichtum geführt haben. Unsere Analysen haben zum Beispiel ergeben, dass die Differenzierung der Nearktischen und Paläarktischen Gattungen auf eine einzelne Besiedlung über die Beringstrasse zurückzuführen ist. In beiden Regionen hat sich durch Konvergenz ein ähnliches Aussehen entwickelt. Die Artbildungsprozesse in der Paläarktis sind in vielen Fällen auf eiszeitliche Refugien zurückzuführen. Allerdings kommen auch viele Inselendemiten vor, deren biogeographische Geschichte von vielfachen Besiedlungen und Aussterbeereignissen geprägt ist. In der Gattung Trimerotropis in Nord- und Südamerika haben Landschaftsveränderungen zu Diversifizierungsprozessen geführt. Die akustische und verhaltensbiologische Differenzierung vieler Arten trägt zur Aufrechterhaltung von Artgrenzen bei. In Zukunft planen wir unsere Studien auf genomischer Ebene zu vertiefen.
Wichtige Publikationen:
- Husemann, M., Habel, J. C., Namkung, S.J., Hochkirch, A., Otte, D., Danley, P.D. (2015) Molecular evidence for an Old World origin of Galapagos and Caribbean grasshoppers (Acrididae: Oedipodinae: Sphingonotus). PloS One 10: e0118208.
- Husemann, M., Deppermann, J., Hochkirch, A. (2014) Multiple independent colonization of the Canary Islands by the winged grasshopper genus Sphingonotus Fieber, 1852. Molecular Phylogenetics and Evolution 81: 174-181.
- Husemann, M., Llucia Pomares, D., Hochkirch, A. (2013) A review of the Iberian Sphingonotini with description of a new species (Orthoptera: Acrididae: Oedipodinae). Zoological Journal of the Linnean Society 168: 29-60.
- Husemann, M., Confalonieri, V., Guzman, N., Danley, P.D., Cigliano, M.M. (2012) Biogeography of Trimerotropis pallidipennis (Acrididae: Oedipodinae): deep divergence within the Americas. Journal of Biogeography 40: 261-273.
- Husemann, M., Namkung, S.J., Habel, J.C., Hochkirch, A., Danley, P.D. (2012) Phylogenetic analyses of band-winged grasshoppers (Orthoptera, Acrididae, Oedipodinae) reveal convergence of wing morphology. Zoologica Scripta 41: 515-526.
Interaktionen von Hummeln, Milben und Viren
Die negativen Auswirkungen von Varroa Milben auf Honigbienen sind wohlbekannt. Allerdings tragen auch viele Wildbienen, insbesondere Hummeln häufig Milben. Diese Milben können theoretisch auch als Überträger von Bienenkrankheiten dienen. Dieses ist vor allem wichtig, wenn die einzelnen Milbenarten nicht auf eine Hummelart spezialisiert sind, da sie dann Pathogene auch zwischen Arten übertragen könnten. Unsere bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Milben nicht spezialisiert auf einzelne Hummelarten sind und dass sie Honigbienen Viren in sich tragen. Daher ist es wichtig, das Potential zur Übertragung der Viren weiter zu untersuchen zwischen Hummelartenweiter zu untersuchen, um zu verstehen, welches Gefährdungspotential sie für unsere Hummelfauna darstellen.
Biogeographie Nordafrikas
Wichtige Publikationen:
- Husemann, M., Schmitt, T., Zachos, F.E., Habel, J.C. (2013) Palaearctic biogeography revisited - Evidence for the existence of a North African refugium for western Palaearctic biota. Journal of Biogeography 41: 81-94.
- Habel, J.C., Husemann, M., Schmitt, T., Zachos, F.E., Honnen, A.-C., et al. (2012) Microallopatry Caused Strong Diversification in Buthus scorpions (Scorpiones: Buthidae) in the Atlas Mountains (NW Africa). PLoS ONE 7: e29403.
- Husemann, M., Schmitt, T., Stathi, I., Habel, J.C. (2012) Evolution and radiation in the scorpion Buthus elmouatakili (Scorpiones: Buthidae) at the foothills of the Atlas Mountains (North Africa). Journal of Heredity 103: 221-229.
- Habel, J.C., Husemann, M., Schmitt, T., Dapporto, L., Vanderwoistijne. S. (2012) A forest butterfly in the oasis of the Sahara desert: isolation does not matter. Journal of Heredity 104: 234-247.
Genetische Zeitserien
Populations- und naturschutzgenetische Studien beinhalten zumeist nur einzelne Beprobungen und stellen daher nur Snapshots der Evolution dar. Die Analyse von genetischen Zeitserien erlaubt Veränderungen der genetischen Diversität direkt zu analysieren. Zudem lassen sich über Zeitserien effektive Populationsgrößen berechnen, wodurch sich der Status einer Population und der Effekt von Drift abschätzen lassen. Wir nutzen unsere reichhaltigen Sammlungen als Ressource und unsere modernen Labore um genetische Daten für Populationen zu erheben, die wir auch rezent beproben. Die Daten erlauben Rückschlüsse über den Einfluss menschlicher Aktivitäten auf die genetische Vielfalt unserer heimischen Insektenfauna.
Wichtige Publikationen:
- Husemann M, Zachos FE, Paxton RJ, Habel JC (2016). Editorial: Effective population size in ecology and evolution. Heredity 117: 191-192.
- Cousseau L, Husemann M, Vangestel C, Lens L (2016) Spatiotemporal analyses of demography in a declining population of house sparrows. Heredity 117: 259-267.
- Husemann, M., Cousseau, L., Borghesio, L., Lens L., Habel, J.C. (2015) Effects of population size and isolation on the genetic structure of the East African Mountain White-eye Zosterops poliogaster (Aves). Biological Journal of the Linnean Society 114: 828-836.
- Husemann, M., Cousseau, L., Callens, T., Matthysen, E., Vangestel, C., Durand, E.Y., Hallmann, C., Githiru, M. & Lens L. (2015) Post-fragmentation population structure in a cooperative breeding Afrotropical cloud forest bird: emergence of a source-sink population network. Molecular Ecology 24: 1172-1187.
- Husemann, M., Nguyen, R., Ding, B., Danley, P.D. (2015) A genetic demographic analysis of Lake Malawi rock-dwelling cichlids using spatio-temporal sampling. Molecular Ecology 24: 2686-2701.
- Habel, J.C., Husemann, M., Finger, A., Danley, P.D., Zachos, F.E. (2014) The relevance of time series in molecular ecology and conservation biology. Biological Reviews 89: 484-492.
Sequenzierung von Typenmaterial
Typen sind die Urmeter von Arten. Sie dienen als Referenz für taxonomische Revisionen und Neubeschreibungen. Allerdings sind diese speziellen Individuen bis heute zumeist nicht genetisch zugänglich, wodurch die ultimativen Referenzen in Barcoding Studien generell fehlen. Diese Lücke wollen wir schließen. Wir versuchen mit innovativen genetischen Methoden altes Typenmaterial zu sequenzieren. Dieses testen momentan verschiedene DNS Extraktionsverfahren und designen neue Primer exemplarisch für in Alkohol gelagerte Skorpionstypen.
Taxonomie und Systematik sowie Biologie und Biogeographie der Trichoptera (Köcherfliegen)
In den wissenschaftlichen entomologischen Sammlungen des ZMH nimmt die Trichopterasammlung Ulmer einen Platz von besonderem Wert ein. Eine Neu- und Weiterbearbeitung des Materials beinhaltet das Designieren von Lectotypen, Neubeschreibungen aus bisher unbestimmtem Material und die Optimierung der Sammlung aus kuratorischer Sicht.
Kleinere Projekte in der Entomologie beschäftigen sich mit der Biogeographie von bestimmten Köcherfliegenarten oder bestimmten Gebieten in Norddeutschland. Arbeiten zur Systematik und Phylogenie von Trichopteren sind in Planung.
Digitalisierung und Visualisierung von Sammlungsmaterial (v.a. Typen)
Wissenschaftliche Sammlungen stellen eine unerschöpfliche Datenbasis für zahlreiche wissenschaftliche und angewandte Fragestellungen dar. Um diese Datenbasis möglichst vielen Nutzern zur Verfügung stellen zu können, werden Daten (Funddaten, taxonomische Stellung etc.) digitalisiert und einzelne wichtige Vertreter (in erster Linie Typenmaterial) mittels moderner bildgebender Verfahren (3D-Fotografie, Konfokale Bildgebung) visualisiert. Daneben werden aktuelle Typenkataloge zu den verschiedenen Insektengruppen erstellt.