Systematik, Evolution, Ökologie, Biogeographie von Peracarida (Crustacea, Malacostraca) und Polychaeta der Tiefsee
Die Tiefsee erscheint uns als ein einheitlicher, zusammenhängender Lebensraum. Aber stellt sich dieser Lebensraum auch für die dort lebenden Organismen so einheitlich dar? In wie weit stellen Gebirge, Tiefseegräben oder andere Strukturen Hindernisse dar? Die Tiefsee ist der lichtlose Bereich unserer Meere ab ca. 200 m Tiefe. Die Tiefsee kann man in drei Bereiche untergliedern: Bathyal, Abyssal und Hadal. Das Bathyal erstreckt sich über eine Tiefe von ca. 200-3.000 m und beschreibt die Fläche des abfallenden Kontinentalhangs. Das Bathyal geht in das Abyssal über (ca. 3.000–6.000 m), dieses wird allgemein als weitestgehend homogenes Habitat mit Weichsubstrat bezeichnet. Das Hadal (ca. 6.000–12.000 m) bezeichnet Tiefseegräben die das Abyssal aufbrechen.
Da das Abyssal generell als zusammenhängendes Ökosystem wahrgenommen wird, interessieren uns hier besonders die (Ausbreitungs-)Grenzen in diesem Ökosystem. Um diese Grenzen zu untersuchen befassen wir uns mit unterschiedlichen Tiergruppen. Die Polychaeten (Borstenwürmer) zum Beispiel sind in allen marinen Habitaten zu finden. Vom Flachwasser bis zur Tiefsee weisen sie eine große Vielfalt an Lebensweisen, Fortpflanzungsmechanismen und Entwicklungsstadien auf. Diese Vielfalt macht Polychaeten zu einer sehr interessanten Gruppe für Untersuchungen bezüglich Ausbreitung (Biogeographie) und Vielfalt (Biodiversität). Ein weiterer Teil der Forschung konzentriert sich auf peracaride Krebse. Die bekanntesten Vertreter dieser Überordnung sind z.B. die Isopoden (Asseln) und Amphipoden (Flohkrebse). Diese Gruppe besitzt im Gegensatz zu vielen anderen Krebstieren und auch Polychaeten, kein schwimmendes Larvenstadium und die Jungtiere werden nahezu vollentwickelte vom Muttertier an ihre Umwelt entlassen. Krebse dieser Gruppe besitzen also Zeitlebens die gleiche Fähigkeit oder Unfähigkeit sich auszubreiten. Gerade bei den Asseln hat sich eine Vielzahl an Formen und Überlebensstrategien entwickelt um sich an ihr Habitat anzupassen. So gibt es rein grabende Vertreter die sich im Sediment aufhalten, aber auch Familien die sich an eine schwimmende Fortbewegung angepasst haben.
In der abyssalen Tiefsee treten deutliche Barrieren in Form von Landmassen, Tiefseebergen, Tiefseegräben oder Tiefseegebirgen auf. Durch die Vema-TRANSIT Expedition hatten wir die Möglichkeit eine der größten Barrieren in der atlantisch abyssalen Tiefsee zu untersuchen: den Mittelatlantischen Rücken. Während der Vema-TRANSIT Expedition wurde (Dezember 2014 bis Januar 2015) eine der größten Bruchzonen („Vema-Fracture Zone“) des mittelatlantischen Rückens untersucht. Dabei wurden mit speziellen geschleppten Geräten die abyssalen Tiefseeebenen (ca. 4000-5000m Tiefe) westlich und östlich der Bruchzone, sowie in der Bruchzone selbst Proben genommen. Die gesammelten Tiere sollten dabei Einblicke in die Biodiversität dieses Gebietes geben, sowie Aufschluss über einen potentiellen Barrieren-Effekt des Mittelatlantischen Rückens geben. Weiterhin wurden Proben aus dem hadalen (>8000m Tiefe) Puerto Rico Graben genommen, um auch hier eine potentielle Isolation aufgrund der großen Tiefenunterschiede zu untersuchen.
Polynoid (Polychaeta) aus dem Hadal. Foto: UHH/CeNak, Martin Schwentner
Eine wichtige Voraussetzung bei der Ermittlung der Biodiversität und Biogeographie von Organismen in der Tiefsee ist die Bestimmung von Arten (Taxonomie). Anhand vieler morphologischer Merkmale, wie z.B. Kopfform, Körperform und Anhänge spielen dabei eine entscheidende Rolle. Bei den Polychaeten und Peracariden der Vema-Transit-Expedition wurden dabei zum größten Teil unbekannte Arten gefunden. Eine rein taxonomische Bestimmung von Arten aus der Tiefsee ist meist sehr schwierig, da die Tiere durch die Probennahme oft beschädigt und oder unvollständig sind. Ergänzend werden molekulargenetische Untersuchungen zur Artdifferenzierung vorgenommen. Hierbei wurde eine weitaus höhere Anzahl an Arten festgestellt, als auf Grund der reinen Taxonomie angenommen wurde. Weiterhin geben die genetischen Daten ebenfalls Aufschluss über verwandtschaftliche Verhältnisse und Ausbreitung der Tiere.
Haploytpennetzwerk von Laonice sp. (Polychaeta) zeigt, dass identische Haploytpen sowohl westlich (rottöne) und östlich (blautöne) des Mittelatlantischen Rückens vorkommen. Dies deute darauf hin, dass dieser keine Ausbreitungsbarriere darstellt.
Die Untersuchungen an den Polychaeten der „Vema-Fracture-Zone“ sind noch nicht abgeschlossen, jedoch wurde anhand ausgewählter Gruppen festgestellt, dass ein eindeutiger Austausch der Arten zwischen dem östlichen und westlichen Teil des Atlantiks stattfindet, was den Barrieren-Effekt des Mittelatlantischen Rückens auf diese Gruppen unwahrscheinlich macht. Dies gilt für Isopoden nur bedingt, wir konnten nachweisen, dass schwimmende Arten nicht beeinträchtigt sind aber der Großteil der nicht-schwimmenden Isopoden wurde nur östlich oder westlich des Mittelatlantischen Rückens gefunden. Ein planktonisches Larvalstadium, aber auch die Fähigkeit zu schwimmen scheinen die Ausbreitung in der abyssalen Tiefsee unabhängig von physischen Barrieren zu begünstigen. Im Umkehrschluss folgern wir, dass die abyssale Tiefsee keineswegs ein barrierefreies Habitat für rein benthische Organismen darstellt.
Die Projekte zur Diversität, Taxonomie und Phylogeographie der Tiefsee finden in sehr enger Kooperation mit Prof. Angelika Brandt (Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt) und den Mitarbeitern des Deutschen Zentrum für Marine Biologie (DZMB) statt.
Ausgewählte Publikationen:
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Guggolz, T., Lins, L., Meißner, K., & Brandt, A. (in press). Biodiversity and distribution of polynoid and spionid polychaetes (Annelida) in the Vema Fracture Zone, tropical North Atlantic. Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography.
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Bober, S., Brix, S., Riehl, T., Schwentner, M. and Brandt, A. (under Review): Does the Mid-Atlantic Ridge affect the distribution of abyssal benthic crustaceans across the Atlantic Ocean? Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography
Vorträge und Poster:
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Bober, S., Riehl, T., Brix, S., Frutos,I.,Malyutina, M. and Brandt, A. (2015): Does the Mid Atlantic Ridge affect the distribution of benthic crustaceans across the Atlantic Ocean? A morphological and genetical approach on Macrostylidae (Crustacea, Isopoda).. 14th Deep-Sea Biology Symposium. Aveiro, Portugal, Vortrag.
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Bober, S., Riehl, T., Brix, S., Frutos,I.,Malyutina, M. and Brandt, A. (2016): Does the Mid Atlantic Ridge affect the distribution of benthic crustaceans across the Atlantic Ocean. GfBS Annual meeting 2016 München, Vortrag.
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Guggolz, T. & Brandt, A. (2015): Hadal Polychaeta (Annelida) of the Puerto Rico Trench. 14th Deep-Sea Biology Symposium. Aveiro, Portugal, Vortrag.
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Guggolz, T., Lins, L., Meißner, K. & Brandt, A. (2016): The Vema Fracture Zone – A bridge through the Middle Atlantic Ridge? 12th International Polychaete Conference. Wales, Cardiff, Vortrag.