Funktionsmorphologie der Reproduktionsorgane lebendgebärender Süßwasserschnecken
3D-Rekonstruktion und Visualisierung von Brutbeutel und Genitaltrakt der viviparen Kronenschnecke Fijidoma maculata (Caenogastropoda, Cerithioidea, Thiaridae) von den Fidschi-Inseln
Viviparie (Lebendgebären) ist unter den ansonsten überwiegend eierlegenden Gastropoden im Verlauf der Evolution dieser Weichtiere (Mollusca) mehrfach unabhängig voneinander entstanden, einige Male zudem auch bei limnischen Schnecken. Vielfach ist vermutet worden, dass diese besondere Fortpflanzungsstrategie im engen Zusammenhang mit weiteren biologischen Phänomenen, wie etwa der Besiedlung neuer limnischer Lebensräume (Annidation), der Artenvielfalt (Speziation) und der anpassungsbedingten Artenauffächerung (adaptive Radiation) stehen.
Tatsächlich ist die artenreiche und in den tropischen Süßgewässern der Erde weit verbreitete und erfolgreiche Gastropodengruppe der Kronenschnecken (Thiaridae), auf der in unserer Arbeitsgruppe (AG Biodiversität der Tiere) am Centrum für Naturkunde (CeNaK) ein besonderer Fokus liegt, durch die Besonderheit eines teilweise sogar mit sekretorischem Drüsengewebe ausgekleideten und durch Kompartimente gekammerten Brutbeutels ausgewiesen. In diesem Brutbeutel im Nackenbereich der Weibchen wachsen über Wochen und Monate Dutzende bis Hunderte bereits mit einer Schale ausgestattete Embryonen zu Jungschnecken heran, bevor sie lebend in ihre Umgebung entlassen werden.
Diese anatomischen Besonderheiten des Brutbeutels und der übrigen Fortpflanzungsorgane, insbesondere des weiblichen Geschlechtsgangs (pallialer Abschnitt des Gonodukts), werden in diesem Forschungsprojekt beispielhaft und mit anderen Thiariden vergleichend an Fijidoma maculata untersucht. Diese Thiariden-Art ist in ihrem Vorkommen zwar auf einige wenige der schnellströmenden Oberläufe auf der Fidschi-Inseln Viti Levu im Südpazifik beschränkt, aber – wie unsere phylogenetischen Analysen gezeigt haben – nächst verwandt mit Süßwasserschnecken, die Flüsse vor allem im tropischen Norden des benachbarten Kontinents Australien besiedeln.
Für Fijidoma maculata liegen Beobachtungen zum Ablauf ihrer speziellen Fortpflanzungsweise und Art der Brutpflege aus dem Freiland vor. Dank der Viviparie ist die Anzahl der Jungtiere verglichen mit oviparen Gastropoden zwar begrenzt; allerdings besteht durch das fortgeschrittene Entwicklungsstadium, in dem die Jungtiere entlassen werden, für diese eine höhere Überlebenschance. Zudem ist diese Strategie möglicherweise eine Anpassung an die spezifischen limnischen Lebensräume der Thiariden in tropischen Gewässern auf Inseln und Kontinenten.
Um diesen besonderen Reproduktionsmechanismus sowie insgesamt Bau und Funktion der Fortpflanzungsorgane bei viviparen Gastropoden besser zu verstehen, werden mit Hilfe anatomisch-histologischer Untersuchungsmethoden und computertomographischen Dokumentation an Fijidoma maculata morphologische Merkmale des Nacken-Brutbeutels und des Genitaltrakts erfasst, die anschließend in einer dreidimensionalen Rekonstruktion und Visualisierung weiter untersucht und genutzt werden.
Ziel ist es, die Baueigentümlichkeiten und Funktionsmorphologie vergleichend bei limnischen und viviparen Thiariden zu analysieren und in den Zusammenhang mit denen anderer, darunter auch mariner Cerithioidea zu stellen. Letztlich geht es uns bei diesen modellhaft angelegten Untersuchungen darum, jene Rolle besser zu verstehen, die die Morphologie bei der Evolution allgemein und speziell der Kolonisation neuer adaptiver Zonen spielt.
Projektleitung: Prof. Dr. Matthias Glaubrecht, CeNak
Projektassistenz: Lena Schwinger, CeNak
CT Scans: Die computertomographischen Aufnahmen wurden ermöglicht und erstellt mit dem CT System FF20 CT in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Unternehmen YXLON International GmbH.