Schatz des Monats: Das erste Fossil eines Frühmenschen in AfrikaVor 100 Jahren in Sambia entdeckt
17. Juni 2021
Foto: UHH/CeNak, Kaiser
100 Jahre alt – das wäre mehr als ein Kompliment für unseren Schatz des Monats: Zwar am 17. Juni 1921 gefunden, ist das Kabwe-Cranium etwa 300.000 Jahre alt. Der Schweizer Bergmann Tom Swiglaar machte den Sensationsfund in einer Höhle, die durch Sprengungen in einem Blei-Zink Bergwerk freigelegt worden war. Ein hochauflösendes Modell des Schädels, dessen Original bis heute am Natural History Museum in London verwahrt wird, befindet sich in der paläontologischen Sammlung Bräuer am CeNak.
Das Kwabe-Cranium – unser Schatz des Monats – saß auf dem männlichen, äußerst robust gebauten Körper eines früharchaischen Homo sapiens, der sich bereits vor etwa einer Millionen Jahre in Afrika aus dem Homo erectus entwickelt hatte. „Er litt an starker Karies, was eine kohlenhydratreiche Ernährung nahelegt und ist vermutlich an diesen Zahnkomplikationen gestorben“, sagt Prof. Dr. Thomas Kaiser, Abteilungsleiter der CeNak-Mammalogie und Paläoanthropologie. Zusammen mit seinem Team hat er vom Schädel für die Sammlung des CeNak ein animiertes 3D-Digitalisat hergestellt:
Nachdem Tom Swiglaar den Mut gefasst hatte, den gruseligen Schädelfund nicht einfach wegzuwerfen, gelang unser Schatz durch eine glückliche Fügung in die Hände eines sachkundigen Arztes, der die wissenschaftliche Bedeutung erkannte: Da bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Fossilien von Vor- oder Frühmenschen in Afrika gefunden worden waren, wäre diese Entdeckung sonst vermutlich gar nicht registriert geworden. Schließlich wurde erst drei Jahre später der Schädel des 2,8 Millionen Jahre alten „Kindes von Taung“ in Südafrika entdeckt und erst dann wurde der afrikanische Kontinent als „Wiege der Menschheit“ denkbar.
Einige Monate später verschiffte die englische Mienengesellschaft schließlich den Kabwe-Schädel vom Fundort im zentralafrikanischen Sambia nach London, wo er von dem damals führenden Paläontologen Arthur Smith Woodward als Referenzexemplar einer neuen Menschenart – Homo rhodesiensis – klassifiziert wurde.
Schon wenige Tage nach dem Fund des Kabwe-Craniums schredderten die Brechmühlen des Bergwerks den gesamten Fundkontext, in der er eingebettet gewesen war, der schließlich nicht mehr rekonstruiert werden konnte. Trotzdem besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass der Mann von Kabwe vor etwa 300.000 Jahren lebte. Er wird als ein später Vertreter einer Population des früharchaischen Homo sapiens angesehen, der auch als Homo heidelbergensis bezeichnet wird.
„Diese Menschen verließen Afrika und tauchen vor 800.000 Jahren erstmals auch in Europa auf. Als möglicher Vorfahre des anatomisch modernen Menschen, ist der Kabwe-Mann allerdings geologisch zu jung und auch zu archaisch in seiner Anatomie“, stellt Thomas Kaiser klar. Ihm zufolge, wurzelt unsere moderne Evolutionslinie vor etwa 400.000 Jahren. Sie leitet sich von gemeinsamen afrikanischen Vorfahren ab, die gleichfalls zum Homo sapiens heidelbergensis gehören.
Kontakt
Prof. Dr. Thomas M. Kaiser
Abteilungsleiter Mammalogie und Paläoanthropologie
Tel.: +49 40 42 838-7653
E-Mail: Thomas.Kaiser@uni-hamburg.de