Schatz des Monats: Ein Stein mit Klimageschichte
5. Mai 2021
Foto: UHH/CeNak, Kotthoff
Eisen und Manganoxid haben ein Streifenmuster im Heinrich-Stein hinterlassen. Die graue Einlagerung spricht dafür, dass der Stein über Jahrhunderte in sauerstoffarmen Sedimenten gelegen hatte.
Unser Schatz des Monats Mai ist ein Stein, der Klimageschichte schreibt: Der sogenannte Heinrich-Stein aus dem Geologisch-Paläontologischen Museum gilt ein Schlüsselfund für das Verständnis plötzlicher Klimawechsel. Damit ist der Fund aus der Iberischen Tiefsee bei Spanien auch für die aktuelle Klimaforschung und die Diskussion um die Schwächung des Golfstroms von großer Bedeutung.
Ulrich Kotthoff, Leiter des Geologisch-Paläontologischen Museums: „Ich halte den Heinrich-Stein für eines der wichtigsten Objekte unserer Sammlung überhaupt! Auch in der Forschung an der Universität Hamburg und im CeNak spielen die inzwischen als Heinrich-Events bekannten raschen Klimaänderungen eine wichtige Rolle, umso mehr, als eine Schwächung des Golfstroms auch durch menschlichen Einfluss auf das Klima verursacht werden könnte. Ich bin Herrn Heinrich sehr dankbar, dass er uns diesen Fund zur Verfügung gestellt hat."
Als der deutsche Meeresgeologe und Klimatologe Hartmut Heinrich Mitte der 80er Jahren eiszeitliche Sedimente im Nordatlantik untersuchte, stieß er auf einen Stein, der ihm wegen der ungewöhnlichen Färbung auffiel. Das schwarz-orangene Streifenmuster, das Eisen- und Manganoxid hinterlassen hatten, war an einer Stelle unterbrochen: Sprach der ungefärbte Streifen dafür, dass der Stein über Jahrhunderte in sehr sauerstoffarmen Sedimenten gelegen hatte? Welcher Zusammenhang bestand hier zu Klimaveränderungen? Für den Forscher war dies ein erster Hinweis darauf, dass der Golfstrom über einen gewissen Zeitabschnitt geschwächt war und es infolge dessen zu einem Sauerstoffmangel in der Tiefsee kam.
Hartmut Heinrich ging dieser Annahme intensiv nach und rekonstruierte anhand von Sedimentproben aus dem Atlantik und den darin enthaltenen Foraminiferen drastische Klimaveränderungen innerhalb der letzten Eiszeit. Seine Theorie, dass es während der vergangenen Eiszeiten noch intensivere Kälteperioden gab, wurde als Heinrich-Event bekannt. Heinrich entfachte mit seinen Erkenntnissen zu den abrupten Klimaveränderungen eine globale Diskussion darüber, wie Klimaerwärmung den Golfstrom versiegen lassen und zu kollabierenden Eisschilden führen kann.
Entscheidenden Einfluss auf die Abschwächung des Golfstromes hatte, so Heinrich, der Zusammenbruch der nördlichen Eisschilde. Viele Eisberge stürzten in den Nordatlantik, schmelzendes Süßwasser mischte sich damit unter das warme Salzwasser und veränderte die Zirkulationsmuster des Ozeans. Diese Störung eines der wichtigsten Klimaregulatoren, des Golfstromes, führte zu globalen Kälteeinbrüchen (Heinrich Stadiale) und auch zu der kurzfristigen Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr im Nordatlantik, die sich u.a. im Heinrich-Stein abzeichnet.
Ulrich Kotthoff: „Die auslösenden Mechanismen können auch während unserer Warmzeit wirken und z.B. eine Schwächung des Golfstroms auslösen."
Ergänzend dazu Hartmut Heinrich: „Und in der Antarktis würde das Abschmelzen von Gletschern ebenfalls eine Veränderung der Ozeanzirkulation und einen verstärkten Meeresspiegelanstieg verursachen – davon wäre dann auch die Nordhemisphäre der Erde betroffen.“
Der Heinrich-Stein ist im Geologisch-Paläontologischen Museum innerhalb einer Vitrine zusammen mit einem Video präsentiert: https://lecture2go.uni-hamburg.de/l2go/-/get/v/22142