Hybridisierung zwischen Landschnecken infolge klimabedingter Arealverschiebungen
Molekulargenetische Untersuchungen haben gezeigt, dass Hybridisierung auch bei Tieren wesentlich häufiger auftritt als man das früher angenommen hat. Zwischen nah verwandten Arten werden häufig Gene ausgetauscht. Oft bleiben die Arten trotz des Genaustausches getrennt. Hybridisierung kann aber auch zur Verschmelzung von Arten oder zur Entstehung neuer Arten führen. Die Faktoren, die die evolutionären Ergebnisse beeinflussen und die Häufigkeit des Auftretens der unterschiedlichen Ereignisse wurden bisher nur unzureichend erforscht.
Die vom Menschen verursachten Klimaveränderungen führen zu Arealverschiebungen von vielen Arten. Durch solche Arealverschiebungen wird das Zusammentreffen von nah verwandten Arten wahrscheinlicher. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Hybridisierungen. Auch natürliche Klimaveränderungen wie die während und nach den Eiszeiten führten zu Arealverschiebungen und zu Hybridisierung.
In einem im Rahmen der Landesforschungsförderung Hamburg finanzierten Forschungsverbund über Hybride werden wir die Auswirkungen der eiszeitlichen Klimaschwankungen auf Artbildungsprozesse untersuchen. Als Modellgruppe dienen Schließmundschnecken der Gattung Charpentieria. Eine Gruppe von Populationen dieser Gattung hat die Eiszeiten in verschiedenen Bergregionen am Südalpenrand überdauert, die von den alpinen Gletschern nicht bedeckt wurden. Andere Charpentieria Populationen haben dagegen die Eiszeiten in Tallagen südlich der alpinen Gletscher überdauert. Diese haben sich infolge der nacheiszeitlichen Klimaerwärmung und des Schmelzens der Gletscher wieder in die Alpen ausgebreitet und sind dort an mehreren Stellen auf die Populationen getroffen, die die Eiszeiten in den montanen Refugien überdauert haben. In einigen Fällen haben sie die während der Eiszeiten getrennten Populationen bereits so weitgehend differenziert, dass Hybridisierung nur in einem geringen Ausmaß erfolgt und nicht zur Vermischung der Taxa geführt hat. Dagegen hat Hybridisierung in einem Gebiet zu einem nahezu kontinuierlichen Übergang zwischen den zuvor isolierten Populationen geführt. Wir werden in unserem Projekt mit Hilfe von Next-Generation-Seqencing Methoden wie RAD-Seq die genetischen Grundlagen der Differenzierung der verschiedenen Populationen untersuchen und versuchen die genetischen und die Umweltfaktoren zu verstehen, die zu den unterschiedlichen evolutionären Ergebnissen geführt haben. Dieses Projekt soll dazu beitragen, die evolutionären Auswirkungen der vom Menschen verursachten Klimaveränderungen besser abschätzen zu können.
- Bachelorarbeit Bettina Scheel, Masterarbeit Kathrin-Lisa Nägele. Doktorarbeit Jie Xu (gefördert durch die Landesforschungsförderung).
- Scheel, B. & Hausdorf, B. 2012. Survival and differentiation of subspecies of the land snail Charpentieria itala in mountain refuges in the Southern Alps. – Mol. Ecol., 21 (15): 3794–3808.
- Nägele, K.-L. & Hausdorf, B. 2015. Comparative phylogeography of land snail species in mountain refugia in the European Southern Alps. – J. Biogeograph., 42 (5): 821–832.