Schatz des Monats: Partnersuche unter Strom
2. August 2019
Foto: UHH/CeNak, Möckel
Die Zitteraale aus der Ichthyologischen Sammlung in der Sonderausstellung "Humboldt lebt!"
„Nachdem wir vier Stunden lang an ihnen experimentiert hatten, empfanden wir bis zum anderen Tage Muskelschwäche, Schmerz in den Gelenken, allgemeine Übelkeit“, schrieb Alexander von Humboldt über eines der merkwürdigsten Tiere auf seiner Südamerika-Expedition. Im CeNak ist der Fisch, bei dem nicht nur das Abwehrverhalten elektrisierend ist, in der Ichthyologischen Sammlung zuhause: Der Zitteraal ist unser Schatz des Monats August.
In den Sümpfen Venezuelas spielte sich im März 1800 Dramatisches ab: Aus dem Wasser heraus schnellten Zitteraale an ins Wasser getriebenen Pferden und Maultieren empor und versetzten den Tieren Stromschläge. Zwei Pferde wurden bewusstlos und gingen unter. Das schreibt zumindest Alexander von Humboldt, für den die Einheimischen lebende Zitteraale fangen sollten. In seinem Reisebericht heißt es: „Nämlich der durch das Stampfen der Pferde verursachte Lärm scheucht die Zitteraale aus dem Schlamme hervor und reizt sie zur Gegenwehr; sie schwimmen auf die Oberfläche des Wassers und drängen sich unter den Bauch der Pferde und Maultiere.“ Einige erschöpfte Zitteraale konnten Humboldt und seine Begleiter schließlich begutachten.
Zuhause im nördlichen Südamerika
Doch der Zitteraal ist gar kein Aal. „Die Art gehört zu den Neuwelt-Messerfischen, die als gemeinsames Merkmale eine sehr lange, fast über den ganzen Körper verlaufende Afterflosse und elektrische Organe besitzen“, erklärt CeNak-Fischexperte Ralf Thiel. Bei Electrophorus electricus bestehtist der bis zu 2,50 Meter lange Körper größtenteils aus zu elektrischen Organen umgebildetem Muskelgewebe. Schlammige und sauerstoffarme Süßwasserhabitate im nördlichen Südamerika sind sein Lebensraum. Mit der dunkelgrauen, graubraunen oder schwarzbraunen Färbung erinnert das Tier fast an militärische Atom-U-Boote, verhältnismäßig kleine Augen sitzen über dem breiten Maul.
Keine Übertreibungen
Während Humboldts Beschreibungen lange Zeit als Übertreibungen angesehen wurden, zeigen neuere Experimente , dass sich die Tiere tatsächlich aus dem Wasser katapultieren können. Dabei drücken sie ihren Kopf (Pluspol) und die Schwanzspitze (Minuspol) gegen potenzielle Angreifer oder Beutetiere und geben Stromstöße ab. Die Elektroschocks werden durch die Berührung direkt in das Zielobjekt geleitet. Und je weiter die Tiere aus dem Wasser schnellen, umso höher war die gemessene Stromstärke und Spannung. Solche Angriffe sind effektiv, denn unter Wasser wird der abgefeuerte Strom gleichmäßig in alle Richtungen verteilt.
Geschützt vor den Stromschlägen
Die erzeugte Spannung ist bei dieser Art so hoch, dass die Fische damit auch Beute - vorwiegend andere Fische - töten können. Mit einem Nervensignal kann der Zitteraal seine Organe wie Batteriezellen zusammenschalten und damit kurzfristig bis zu 860 Volt in die Umgebung abfeuern. „Die im vorderen Teil des Körpers liegenden lebenswichtigen Organe des Zitteraals sind durch einen isolierenden Schleimfilm auf der Haut und zusätzliche Fettschichten vor den Stromschlägen geschützt“, sagt Ralf Thiel. In der Ichthyologischen Sammlung des CeNak, die mit über 8.000 Fischarten zu den bedeutendsten Deutschlands zählt, sind acht Zitteraale archiviert. „Die Exemplare kommen aus Brasilien und gelangten zwischen 1887 und 1972 in unsere Sammlung“, erklärt Forscher Thiel. Aufbewahrt werden die Nasspräparate In 70-prozentigem Äthanol.
Partnersuche mit Elektroimpulsen
Während Humboldt und seine Begleiter die Begutachtung der gefangenen Fische laut Humboldts Beschreibungen für Tage gesundheitlich zeichnete, gehen die Tiere mit ihren Stromstößen untereinander sogar auf Partnersuche. Im trüben Schlammwasser locken sich potenzielle Partner mit den Elektroimpulsen nämlich gegenseitig an. Allerdings sind die abgebebenen Stromstöße dabei recht schwach. Hauptsächlich nutzt Electrophorus electricus seine elektrischen Fähigkeiten zur Feindabwehr, Revierabgrenzung und Orientierung im Wasser, da sein Sehsinn nur mäßig ausgeprägt ist. Die Männchen bauen nach der Paarung Nester aus Wasserpflanzen und bewachen später die Eier und Larven. Die sind beim Schlüpfen der faszinierenden „Elektrofische“ gerade einmal zehn Millimeter lang.
Weitere Informationen
Sonderausstellung "Humboldt lebt!" (bis Ende September)
Forschungsabteilung Ichthyologie