Großer Andrang beim "Ende der Evolution"
5. Dezember 2019
Foto: UHH/CeNak, Gerisch
Christoph Kucklick, Chefredakteur des Magazins "Geo", Fritz Habekuß von der "Zeit", Autor und CeNak-Direktor Matthias Glaubrecht und sein Verleger Johannes Jacob vom Verlag C. Bertelsmann (v.l.) im Zoologischen Museum.
"Dem Pioniergeist des Menschen ist auch sein drohender Untergang geschuldet", erklärte CeNak-Direktor Matthias Glaubrecht bei der Vorstellung seines neuen Buches "Das Ende der Evolution. Der Mensch und die Vernichtung der Arten". Im Zoologischen Museum hat der Evolutionsbiologe seine Thesen mit Fritz Habekuß, Wissenschaftsredakteur der "Zeit", "Geo"-Chefredakteur Christoph Kucklick und zahlreichen Gästen diskutiert. Auch in den Medien hat das Werk ein Echo ausgelöst.
Die Satellitenaufnahme der Regenwaldfläche ist nur noch ein Flickenteppich in Brauntönen. Auch die Diagramme und Statistiken über das Verschwinden der Tierarten zeichnen im vollbesetzten Zoologischen Museum ein düsteres Bild vom Zustand der Welt. "Homo sapiens ist der geborene Ausbeuter von Umweltressourcen", folgerte Autor Matthias Glaubrecht.
Und weil Mensch immer zahlreicher wird, werde "Privates zum Problem globaler Dimension". Homo sapiens benötigt Siedlungs- und Ackerflächen, verbraucht Ressourcen, und davon immer mehr. Die Erfolgsgeschichte des Menschen sei einzigartig, komme im sogenannten Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen, aber in Dimensionen, "die das Ökosystem zum Kippen bringen könnten".
Während Fritz Habekuß Passagen aus dem 1.000-Seiten-Werk über das große Massensterben verlas, untermauerte Evolutionsbiologe Glaubrecht seine Thesen mit zahlreichen Daten und Statistiken. Die zu deuten sei mitunter aber gar nicht so einfach, warf Christoph Kucklick in der anschließenden Diskussion ein. Werde sich die Natur an veränderte Bedingungen nicht einfach anpassen können, gar eine Form von "neuer Natur" ausbilden?
"Solchem "Ökopositivismus" der Anthropozän-Fans stehe ich skeptisch gegenüber", entgegnete Matthias Glaubrecht. In den letzten 40 Jahren habe etwa die Biomasse der Insekten um drei Viertel abgenommen, was wiederum Auswirkungen auf andere Tierarten und Pflanzen hat. "Wir müssen das Ökosystem insgesamt und im Zusammenhang betrachten." Der Schwund von Hasen, Regenwürmern und Amseln wurde auch aus dem Publikum berichtet. Häufig würden solche subjektiven Eindrücke Studienergebnisse vorwegnehmen, so Glaubrecht. Mitunter fehle es aber an objektiven Langzeitdaten, etwa zu Igeln.
Während es die Klimakrise selbst auf die Wirtschaftsseiten der großen Blätter geschafft habe, spiele das globale Artensterben jedoch häufig nur eine Nebenrolle. Fritz Habekuß: "Medien sollten diese Themen nicht einzeln, sondern zusammenhängend behandeln." Auch die Frage, was Homo sapiens vom Tier unterscheide, diskutierte die Runde. Wohl auch, dass der Mensch andere Tierarten zum Vergnügen hält, etwa Katzen. Die seien zumindest in Europa und Nordamerika mittlerweile eine Bedrohung für Vögel und Kleintiere.
Natürlich sei das "Ende der Evolution" aus biologischer Sicht nicht realistisch, räumte Matthias Glaubrecht ein. "Ich meine damit das Ende der Evolution, so wie wir sie kennen. Vor allem das dramatische Schwinden der Tier- und Pflanzenwelt." Auch ein Rettungsszenario wird im Buch skizziert. Das Ende steriler "Psychopathengärten" sei schon mal ein guter Anfang. Und eine naturnahe Landwirtschaft. Letztendlich müsse aber mindestens die Hälfte der Erdfläche unter strengen Naturschutz gestellt werden. Schließlich mahnte der Evolutionsforscher unsere Lebensweise an: "So, wie wir in den westlichen Industrieländern in den vergangenen Jahrzehnte gelebt haben, kann es nicht weitergehen." (mik)
Das Buch "Das Ende der Evolution. Der Mensch und die Vernichtung der Arten" ist im Verlag C. Bertelsmann erschienen. Im CeNak-Medienecho ist u.a. das Gespräch zwischen Dieter Kassel und Matthias Glaubrecht in Deutschlandfunk Kultur aufgeführt: "Das Ende der Welt ist näher, als gedacht"