Wie überlebt die Urzeit-Spinne in eisiger Isolation?Robert Klesser erhält Forschungspreis der Deutschen Wildtier Stiftung
15. November 2017
Foto: UHH/CeNak, Klesser
Robert Klesser erforscht, was sich bei der Blockhalden-Wolfsspinne über Zentausende Jahre genetisch getan hat.
Zehntausende von Jahren hat die achtäugige Blockhalden-Wolfsspinne (Acantholycosa novergica sudetica) globalen Temperaturschwankungen und Warmzeiten getrotzt. Diese hochspezialisierte Art konnte wahrscheinlich nur überleben, weil sie sich an einen Ort ewiger Kälte zurückgezogen hat. Sie lebt in Blockhalden deutscher Mittelgebirge, in einem einzigartigen Klima- und Höhlensystem. Tief drin in den Gesteinsblöcken sorgen Eiskerne, die zum Teil noch aus der letzten Eiszeit stammen sollen, für die lebensnotwendige Kälte.
Robert Klesser, Gastwissenschaftler am Centrum für Naturkunde (CeNak) der Universität Hamburg, untersucht in seiner Doktorarbeit die Geschichte und die genetischen Besonderheiten dieser speziellen Spinnentiere (Arachnida) und anderer kälteliebender Spinnen und Insekten auf und in Blockhalden. Für seine Arbeit: „New bugs on the block: Populations- und Naturschutzgenetik ausgesuchter Blockhaldenbewohner mit kryptischer Artdifferenzierung“ ist er mit dem 50.000 Euro dotierten Forschungspreis der Deutschen Wildtier Stiftung ausgezeichnet worden.
„In jedem Augenblick sterben Arten aus, die oft noch völlig unbekannt sind. Im globalen Klimawandel verlieren sie ihre letzten Rückzugsgebiete“, weiß Robert Klesser. Die Blockhalden-Wolfsspinne könnte dazu gehören. Eine entscheidende Forschungsfrage ist für Klesser daher der Einfluss von Klimaveränderungen auf empfindlichen Ökosysteme und Spezialisten: „Ich möchte wissen, woher diese eiszeitlichen Reliktarten stammen und wie sich ihre Populationen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft entwickelt haben und entwickeln. Davon kann ich ableiten, wie bedroht diese Arten sind.“
Arten, die nur geringe Klimatoleranzen aufweisen, können durch Kalt- und Warmzeiten massiv aus ihren Verbreitungsgebieten zurückgedrängt werden und sterben lokal oftmals aus. Klesser: „Die derzeitige globale Erwärmung hat fatale Folgen für die Biodiversität. Viele Arten könnten aussterben, andere können nur in Nischen überleben. Um für ihren Erhalt zu sorgen, müssen wir diese Rückzugsgebiete identifizieren.“
Auf der Suche nach Mutationen und besonderen Merkmalen nutzt Klesser im CeNak modernste Methoden der DNA-Sequenzierung, Morphologie und Bioinformatik. „Mutationen können Aufschluss darüber geben, wie alt und groß bestimmte Populationen sind, woher sie stammen, in welchen verwandtschaftlichen Beziehungen sie stehen und ob sich in den Jahrtausenden der Isolation schon Arten entwickelt haben“, so Klesser.
Mit ihrem Forschungspreis zeichnet die Deutsche Wildtier Stiftung herausragende Nachwuchswissenschaftler aus, die an innovativen Forschungsprojekten rund um die heimischen Wildtiere arbeiten. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben. Die diesjährife Preisverleihung findet am 16.11. 2017 im Zoologischen Museum des CeNak statt. Das Preisgeld ist an das ausgezeichnete Forschungsprojekt gebunden.