Büffelgras, Indianernessel und Zaubernuss – die Pflanzenwelt der Ureinwohner Nordamerikas
Indianer – Verlorene Welten
Botanischer Garten und Zoologisches Museum
24. Juni 2018 bis 30. September 2018
Ein Interview mit Carsten Schirarend
Wer weiß schon, dass ein Großteil unserer buntblühenden Gartenstauden ursprünglich in den Great Plains der USA beheimatet war? Und welche Pflanzen als Medizin große Wirkung entfalten? Dr. Carsten Schirarend, Wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens, hinterfragt in dem Ausstellungsprojekt gängige Klischees und beleuchtet das Alltagsleben einiger sesshaft lebender Stämme, die am oberen Missouri Ackerbau und Handel betrieben.
Wie ist die Idee zu der Ausstellung entstanden?
Die Idee zu unserem Projekt stammt von den Gärtnerinnen und Gärtnern, die die Nordamerika-Abteilung im Botanischen Garten betreuen. Sie haben einen besonders intensiven Zugang zu den Pflanzen aus den verschiedenen Regionen Nordamerikas und viele der von ihnen in Hamburg kultivierten Pflanzen haben sie selbst in der Prärie oder in den Appalachen gesammelt. Zahlreiche Gespräche und Kontakte mit den Besuchern des Botanischen Gartens haben gezeigt, dass es ein ungewöhnlich großes Interesse für die von den Ureinwohnern Nordamerikas genutzten Pflanzen gibt, so dass der Wunsch entstand, dieses Thema in einem größeren Rahmen darzustellen.
Inwiefern brechen Sie Klischees auf?
Wenn man sich etwas intensiver mit dem Thema beschäftigt, merkt man schnell, dass unser Bild von den Ureinwohnern Nordamerikas sehr einseitig ist. Tatsächlich waren es zu Zeiten von Christoph Kolumbus bis zu 500 Nationen, die das Land zwischen der Arktis und den Regenwäldern Zentralamerikas besiedelten und sich durch extrem unterschiedliche Wirtschaftsstrategien und Organisationsstrukturen auszeichneten. Neben nomadisierenden Fischern, Jägern und Sammlern gab es mehr oder weniger sesshafte Stämme, die Feldbau und Jagd kombinierten bis hin zu den vollständig sesshaften Bewässerungsfeldbauern des amerikanischen Südwestens. Die uns so vertrauten nomadischen Reiterkulturen der Prärien, die den Ausgangsstoff für das romantisierende und verzerrte Indianerbild im deutschen Sprachraum lieferten, haben sich dagegen erst nach der so genannten Entdeckung der Neuen Welt und der damit verbundenen Einführung von Pferden in Nordamerika entwickelt.
Drei Völker, deren Lebensweise überhaupt nicht zu diesem Klischee passte, waren die Arikara, Hidatsa und Mandan. Sie waren sesshaft und lebten am oberen Missouri von Ackerbau und Handel. Durch verschiedene größere Expeditionen die zu Beginn des 19. Jahrhunderts Kontakt mit diesen Stämmen hatten, verfügen wir hier über eine sehr gute Quellenlage, die wir für eine Sonderausstellung über ihr Alltagsleben genutzt haben.
Warum finden sich so viele nordamerikanische Pflanzen in unseren Gärten?
Große Teile Nordamerikas zeichnen sich durch ein gemäßigtes Klima aus und beherbergen damit Pflanzen, die auch in Mitteleuropa problemlos kultiviert werden können. Da die Auswirkungen der Eiszeit bedingt durch die in Nord-Süd-Richtung streichenden Gebirgszüge hier auch wesentlich geringer waren, besitzt Nordamerika zudem eine deutlich artenreichere Pflanzenwelt als Europa. So ist es nicht verwunderlich, dass viele nordamerikanischen Gehölze und Stauden ihren Einzug in die Gärten Europas gehalten haben. Manche, wie die Robinie, sind uns heute sogar so vertraut, dass wir sie für einheimische Pflanzen halten.
Wie in vielen Teilen der Welt, haben eine industrialisierte Landwirtschaft und andere moderne Landnutzungsmaßnahmen auch in Nordamerika ihre Spuren hinterlassen. Dies betrifft insbesondere die Prärie, das einstmals größte Steppengebiet der Erde. Heute gilt diese Region als die Kornkammer der USA und stellt sich als eine riesige landwirtschaftlich genutzte, teilweise auch verödete und oft künstlich bewässerte Anbaufläche für Weizen und Mais dar. Viele der einstmals hier heimischen Präriepflanzen sind vom Aussterben bedroht und oft nur noch in Naturreservaten und Nationalparks zu finden.
Was kann der Besucher erleben, was nimmt er mit?
Wie bei allen Naturvölkern war das Wissen der Ureinwohner Nordamerikas über die Kräfte der Natur sehr tief verwurzelt und insbesondere Pflanzen mit ihren mannigfachen Verwendungsmöglichkeiten spielten dabei eine herausragende Rolle. Aus heutiger Sicht besonders bemerkenswert ist, dass die Nutzung dieser Naturressourcen stets von Respekt und großer Ehrfurcht, also nach heutigem Verständnis, von einer besonderen Nachhaltigkeit geprägt war. Mit unserem Projekt möchten wir die Besucher für diese heute wieder sehr moderne Idee des verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgangs mit den belebten und unbelebten Objekten der Natur sensibilisieren.
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