3D-Druck als Zeitmaschine - Der Unterkieferknochen „Peninj 1“
2. Juli 2019
Foto: Christina Langenbach
Fossile Knochen und Zähne sind die einzigen greifbaren Dokumente der menschlichen Evolution. Sie ermöglichen nicht nur die Rekonstruktion der Lebensweise unserer Vorfahren, zum Beispiel ihrer Ernährung, sondern können auch die Einflüsse von Klimaveränderungen auf kulturelle Innovationen und Migrationsmuster nachvollziehbar machen.
Diese Fossilien sind unersetzlich und gehören deshalb zu den wissenschaftlich bedeutsamsten und zugleich seltensten Forschungsobjekten überhaupt. Thomas M. Kaiser, Leiter der Abteilung Mammalogie/Paläoanthropologie am CeNak, erforscht in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Biomechanik von Skeletten. Aus der Form wird hier aus großen Datenmengen die Funktion rekonstruiert. Ein ganz besonderer vormenschlicher Unterkieferknochen ist unser Schatz des Monats Juli – oder besser gesagt, seine Replik.
Der einzigartig vollständig erhaltene Unterkiefer von Peninj wurde 1964 von Kamoya Kimeu in Ablagerungen des pleistozänen Natronsees im Norden Tansanias entdeckt. Er ist etwa 1,5 Millionen Jahre alt und zeigt typische Merkmale der Vormenschenart Paranthropus boisei. Dazu gehören die gewaltigen Backenzähne und die kleinen Schneidezähne. Diese robusten Vormenschen sind vor etwa 1 Millionen Jahren ausgestorben.
Ihr Alter und ihre Seltenheit machen Originale wie dieses so wertvoll, dass nur ein sehr kleiner Kreis von Menschen sie je zu Gesicht bekommt. Dennoch wollen und müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an ihnen forschen können. Eine herausragende Funktion übernehmen dabei 3D-Drucke, die als Kopien der Originalobjekte angefertigt werden und so die Visualisierung ermöglichen.
Vom digitalen Datensatz zum analogen Modell
Solche 3D- Drucke entstehen in additiven Fertigungsverfahren aus digitalen Oberflächen- oder Volumenmodellen. Anders als bei der bislang üblichen Abformung aus Kunststoff, wird hier das Modell Schicht für Schicht im 3D-Drucker aufgebaut. Das hat den großen Vorteil, dass man auch die Farbwirkung der Oberfläche wiedergeben kann, auf die man bei der klassischen Replik, die eigentlich eine Abformung ist, verzichten müsste. Die Replik ist dann kaum noch vom Original zu unterscheiden. Während der 3D-Druck in Kunststoffen und Metallen in der Technik bereits weit verbreitet ist, findet er mittlerweile auch in der Wissenschaft auf breiter Basis Anwendung. Im Fall des Unterkiefers von Peninj wurde das Objekt aus Gipspulver aufgebaut. Um die Färbung zu reproduzieren werden kleinste Farbtröpfchen beim Druckprozess ähnlich einem Farbdruck auf Papier, Schicht für Schicht aus feinen Düsen auf das Gipsbett gespritzt. Erst dann wird die nächste Schicht Gipspulver aufgetragen, mit Wasser verfestigt und wiederum eingefärbt. Am Ende wird das Modell noch mit Kunstharz infiltriert. Dies ist der erste farbige 3D-Druck, der von einem so bedeutsamen Fossil hergestellt wurde. Die virtuellen Oberflächendaten für seine Realisierung wurden alleine anhand von Digitalfotos aufwändig berechnet, die im Rahmen eines bilateralen Forschungsprojektes des CeNak und des Nationalmuseums von Tansania hergestellt wurden.
Nicht nur als Forschungsobjekt zu gebrauchen
Das Ziel des Projektes geht aber noch über die Digitalisierung der einzigartigen Welterbe-Fossilien für die biomechanischen Forschungsfragen hinaus: Solche hochwertigen, vom Original kaum zu unterscheidenden Repliken sind erstklassige Exponate für eine Ausstellung. Sie sind somit auch für die Wissensvermittlung eine große Innovation. Diesen Weg wird auch unser 3D-Druck des Peninj Unterkiefers gehen, der zukünftig im Nationalmuseum in Daressalam (Tansania) zu sehen sein wird.