Schatz des Monats März: Die Spinnenförmige Schneemücke
4. März 2019
Foto: UHH/CeNak, Thure Dalsgaard
Spinnenförmige Schneemücken zählen zu den Fliegen, auch wenn sie keine Flügel haben.
Die Suche nach einem sieben Millimeter winzigen Insekt inmitten großer Gesteinsblöcke ist ein bisschen, wie die Nadel im Heuhaufen finden zu wollen. Robert Klesser, Insektenforscher am CeNak, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Tierwelt der winzig kleinen Bewohner sogenannter Blockhalden zu erforschen. Auf einer seiner Krakseltouren durch die Gesteinsblöcke ist er auf die Spinnenförmige Schneemücke (Chionea araneoides) gestoßen. Diese flügellose Mücke ist unser Schatz des Monats März.
Die Spinnenförmige Schneemücke (Chionea araneoides) aus der Familie der Stelzmücken (Limoniidae) mag es gerne kalt. Deshalb ist sie ausschließlich im Winter aktiv, wie schon der Name vermuten lässt. In Deutschland kann man sie nur in den letzten Blockhalden der Mittelgebirge finden, wo sie sich im Sommer in die Tiefen des verwinkelten Höhlensystems unter den Gesteinsblöcken zurückziehen kann. Denn im Inneren der Halde befinden sich aus dem Winter stammende Eiskerne, die durch die kühlen Temperaturen unter den Steinen auch im Sommer nicht vollständig abschmelzen und ein einzigartiges Kaltluftsystem erzeugen. Einige dieser Eisblöcke stammen möglicherweise noch aus der letzten Eiszeit.
Wo die Schneemücke zu finden ist
Damals war die Spinnenförmige Schneemücke vermutlich in ganz Mitteleuropa verbreitet, zog sich aber im Zuge der Erwärmung immer mehr zurück und ist heute vor allem in den Hochlagen europäischer Gebirge anzutreffen. Große Populationen dieser kleinen Mücke, die sich von Pflanzen ernährt, finden sich heute noch in Russland und einigen Ländern Osteuropas sowie der Alpenregion und Skandinavien. 2009 wurde sie erstmals in Deutschland entdeckt. Nach dem Fichtelgebirge fanden Insektenspezialisten sie auch im Harz, in der Rhön und im Bayerischen Wald.
Erforschung des Lebensraums Blockhalde
Robert Klesser, der 2017 für seine Studien im CeNak den Forschungspreis der Deutschen Wildtierstiftung erhielt, erforscht in seiner Doktorarbeit „New bugs on the block“ die Populationen verschiedener Tierarten, die in den Blockhalden zu Hause sind. Mit Becherfallen und körperlichem Einsatz beim Klettern zwischen den Felsen macht er sich auf die Suche nach den kleinen Bewohnern dieses komplexen und verwinkelten Ökosystems. Die gesammelten Tiere nimmt er dann mit nach Hamburg ans CeNak, wo er sie genetisch untersucht. „Da die Populationen wahrscheinlich schon tausende von Jahren geografisch voneinander isoliert sind, kann man anhand von Mutationen herausfinden, woher diese Population ursprünglich stammten, wie sie verbreitet waren und wie groß sie heute und damals waren, wie alt sie sind und ob sie auf dem Weg sind, neue Arten zu werden.“, sagt der Biologe über seine Arbeit.
Bedrohtes Ökosystem
Und seine Arbeit ist wichtig. Denn der Lebensraum Blockhalde ist längst noch nicht erforscht und doch schon wieder gefährdet. Zum Beispiel durch zunehmende Nährstoffeinträge, die ungeliebte Vegetation fördert, die sich in den Spalten zwischen den Blöcken ansiedelt und die Kaltluftströme zum Erliegen bringt, bis die Blockhalden komplett überwuchert sind. Auch der Tourismus in den Gebirgsregionen kann das Gleichgewicht des sensiblen Ökosystems ins Schwanken bringen. Sind die letzten Refugien verschwunden, verschwinden auch ihre einzigarten Bewohner. Forschung hilft, diese Lebensräume zu verstehen und Maßnahmen zu entwickeln, sie zu erhalten.
Mehr über Blockhalden und das Projekt erfahren Sie auf der Seite der Deutschen Wildtierstiftung.