Neuer Bestimmungsschlüssel unterstützt Heuschrecken-Forschung im IranVon der biblischen Plage zum Umwelt-Opfer
11. Dezember 2017
Foto: UHH/CeNak
Martin Husemann auf Forschungsreise im Iran.
Sie sind bekannt als biblische Plage und verursachten im Mittelalter große Naturkatastrophen. Heute sind viele Heuschreckenarten ihrerseits bedroht. Dabei sind sie große Player im austarierten Zusammenspiel der Lebewesen. Dr. Martin Husemann, Leiter der Insektensammlung im CeNak, erforscht Heuschrecken in einem der globalen Hot Spots der Artenvielfalt, im Iran.
In den warmen, trockenen Landschaften des Iran gibt es eine große Vielfalt an Heuschreckenarten, vor allem der Ödlandschrecken. Dort hat der Entomologe eine Kooperation mit der Universität Teheran abgeschlossen. Ziel ist, gemeinsam mit den iranischen Wissenschaftlern die Situation dieser Insekten zu erforschen, um sie perspektivisch schützen zu können. Ein neuer Bestimmungsschlüssel soll helfen.
„Wir wissen noch verhältnismäßig wenig über die Heuschreckenarten im Iran, ihre Verwandtschaftsbeziehungen und Verbreitungsmuster. Doch schon jetzt ist klar, dass viele Arten sehr selten geworden oder sogar verschwunden sind“, so Martin Husemann. Als Grund nennt er die Zerstörung des Lebensraumes. Weite Flächen sind durch Wassermangel und Überweidung versteppt, ein hoher Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln zerstört die vielfältige Pflanzenwelt und nimmt den Heuschrecken ihre Lebensgrundlage. Im Iran leben schätzungsweise rund 350 der weltweit nachgewiesenen Arten. In Deutschland hingegen sind nur 70 Heuschreckenarten heimisch.
„Konkret geht es uns bei den Forschungen im Iran darum, Gebiete für bedrohte Heuschreckenarten zu erhalten, also die Grundlagen für Umwelt- und Gebietsschutz vorzubereiten“, beschreibt Martin Husemann das Ziel seiner Forschungen. „Da es jedoch bislang kaum wissenschaftliche Studien über die Tierwelt im Iran gibt, müssen wir erst einmal die Basis für die weitere Forschung schaffen.“
Nach etlichen Gesprächen und Vorträgen auf einer Entomologischen Konferenz im Iran veröffentlicht Martin Husemann mit seinen Kolleginnen und Kollegen in Kürze eine Studie zur Heuschreckengattung Sphingonotus in der Zeitschrift Zootaxa. Mit 31 nachgewiesenen Arten von insgesamt ca. 170 Arten kommt Sphingonotus im Iran in großer Vielfalt vor.
Als ersten Schritt der Bestandsaufnahme hat der Hamburger Entomologe zusammen mit den Kollegen aus dem Iran und der Master-Studentin Biologie, Lara-Sophie Dey, alle Arten der Gattung Sphingonotus in seiner Studie zusammen getragen. Mit Hilfe von morphologischen Untersuchungen und Verbreitungsmustern haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Vielzahl von Daten aus verschiedenen wissenschaftlichen Sammlungen, der Literatur und Bestandsaufnahmen vor Ort ermittelt. Ein wichtiges Instrument für zukünftige Forschungen wird der neue Bestimmungsschlüssel sein, den Husemann mit seinen Kolleginnen und Kollegen speziell für die Sphingonotus aus dem Iran entwickelt hat. Dadurch, dass der Schlüssel über die CeNak-Website abrufbar ist, kann ihn jeder anwenden und Informationen beisteuern. Husemann: „Wir sammeln zusätzlich weitere Daten und können auch den Schlüssel kontinuierlich ergänzen. Die ermittelten Daten helfen uns, Verbreitungsänderungen von Arten zu erfassen, zu verstehen und Empfehlungen für den Erhalt von Arten auszusprechen.“
Die Heuschreckensammlung des CeNak zählt zu den wichtigsten in Deutschland und dient auch Martin Husemann immer wieder als Bezugsquelle. Typenmaterial von 129 Arten, darunter 56 Holotypen, sind hier hinterlegt. Die ältesten Objekte sind 1885 aus dem Museum Godeffroy übernommen worden. Die komplette Typenliste wird von Martin Husemann und Lara-Sophie Dey erstellt und in Kürze veröffentlicht. Die Heuschreckensammlung des CeNak ist ein weiteres Beispiel der hohen Relevanz der wissenschaftlichen Sammlungen im CeNak. Die vorgestellte Studie zu Sphingonotus zeigt darüber hinaus, wie die Sammlungen genutzt werden, nicht nur um taxonomische Fragen zu beantworten, sondern auch, um beim Schutz bedrohter Tiere zu helfen.
Der Bestimmungsschlüssel:
www.cenak.uni-hamburg.de/forschung/zoologie/entomologie/forschung/bestimmungsschluessel.html
Internationale Kooperationen des CeNak:
www.cenak.uni-hamburg.de/uebercenak/kooperationspartner.html