Neuer Frosch nutzt Kannenpflanzen als Kinderstube
19. April 2021
Wie viele Frösche gibt es auf der Welt? Bis zum heutigen Tag kennt niemand die exakte Anzahl aller lebenden Arten. Fast wöchentlich entdecken und beschreiben Forschende weltweit neue Arten – insbesondere in den feuchten Tropen, die einen idealen Lebensraum für Amphibien bieten. Einige Neuentdeckungen offenbaren dabei unerwartete, verblüffende Lebensstrategien: Wie der neuentdeckte Frosch, den ein internationales Team aus Forschenden des CeNak in Kooperation mit Instituten in Bern und in Malaysia in einer neuen Studie beschreibt. Er lebt am mühsam zugänglichen Berggipfel des Gunung Murud in Sarawak und nutzt die dort wachsenden Kannenpflanzen als Kinderstube für seinen Nachwuchs.
Sein Habitat ist ein nebel-umhüllter Bergwald mit pittoresken moosbehangenen Bäumen und kühlen Temperaturen trotz der Lage nahe dem Äquator: Philautus nepenthophilus – so der vorgeschlagene Name der neuen Art – machte sich mit seinen Paarungsrufen nicht nur auf potenzielle Weibchen aufmerksam. Auch Forschende konnten seinen Balzruf aus mehreren Metern Entfernung hören, der von den Bäumen am Gunung Murud schallte. Nach gewagten Kletterpartien lokaler Helfer konnten sie ihn im Gezweig ausfindig machen – an den Kannen der Pflanzengattung Nepenthes.
„Die Überraschung war perfekt, als in den Kannen Froschlarven entdeckt werden konnten“, freut sich Prof. Dr. Alexander Haas, Abteilungsleiter Herpetologie am CeNak, der in Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum Bern und der Universiti Malaysia Sarawak diese besondere Art untersuchte. „Es lag nahe, dass diese zur selben Froschart gehörten, wenngleich erst viel später im CeNak-Labor ein DNA-Abgleich mit den Fröschen den eindeutigen Nachweis für die Artzugehörigkeit der Larven ergab.“, fasst Haas zusammen. Währenddessen analysierten Dr. Stefan T. Hertwig und Laurance Etter vom Naturhistorischen Museum Bern die DNA der Elterntiere und glichen sie mit verwandten Arten ab. Der erste äußere Eindruck des Froschs deutete für die Forschenden bereits auf eine neue Art hin – dieser konnte später auch genetisch eindeutig belegt werden.
Unter Federführung von Etter und Hertwig entstand die wissenschaftliche Beschreibung der neuen Froschart, nebst einer vertieften phylogenetischen Analyse der ganzen auf Borneo vorkommenden Verwandtschaftsgruppe, basierend auf molekularen DNA Daten. Ein validierter Stammbaum diente als Grundlage um die Evolution der Reproduktionsweisen in der Gattung Philautus zu bewerten. Der Name der neuen Art, Philautus nepenthophilus, bedeutet „der die Kannenpflanzen Nepenthes liebende“. Die oft laienhaft als „fleischfressend“ bezeichnete Pflanze gedeiht auch auf nährstoffarmen Böden. In ihre Kannen fallen Insekten, die von der dort enthaltenen Flüssigkeit zersetzt werden und so Nährstoffe an die Pflanze liefern.
Die Kaulquappen der neuen Froschart können scheinbar dennoch bestens in dieser Umgebung gedeihen. Darüber hinaus machte das Team eine weitere interessante Beobachtung: „Die sehr enge Mundöffnung und das dotterreiche Gewebe des Froschdarms legen nahe, dass die Larve von ihrem Dottervorrat lebt und keine Nahrung aktiv aufnimmt“ sagt Haas. Die Kanne sei insbesondere vor Austrocknung ein sicherer Ort für die Larvenentwicklung. Die Pflanze wiederum profitierte möglicherweise von den stickstoffhaltigen Ausscheidungen der Larven. Wie lange die Larven bis zur Metamorphose brauchen, bliebe bislang noch unbekannt.
Kontakt:
Prof. Dr. Alexander Haas
Abteilungsleiter Herpetologie
Universität Hamburg
Centrum für Naturkunde
Tel.: +49 40 42838-3916
E-Mail: Alexander.Haas"AT"uni-hamburg.de