Flohkrebs entkryptisiert – seltenes Beispiel für überschätzte Biodiversität
20. Mai 2020
Sie sehen zwar so aus wie ihre Artgenossen, doch ihre DNA verrät: sie sind es nicht. Kryptische Arten können biologisch nicht zweifelsfrei eingeordnet werden und machen dennoch einen großen Teil der Fauna wie Flora aus. Forschende gehen aus diesem Grund davon aus, dass die Biodiversität weltweit unterschätzt wird. Ein Team um Anne-Nina Lörz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der CeNak-Abteilung Crustacea (Krebstiere), konnte nun Flohkrebse genetisch innerhalb der Gruppe der Lepechinellidae neu zuordnen. Die Ergebnisse ihrer Studie schwimmen gegen den Trend der unterschätzten Biodiversität und wurden jüngst im Zoological Journal of the Linnean Society veröffentlicht.
Durch den Einfluss des Menschen sowie der damit einhergehenden Klimaerwärmung sind Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume stark gefährdet. „Extinktionsraten werden insbesondere im marinen Bereich unterschätzt, da hier ein erheblicher Anteil der Artenvielfalt kryptisch, also nur mithilfe von molekularen Untersuchungen nachweisbar, ist“, sagt Anne-Nina Lörz. Kryptische Spezies gelten in Fachkreisen als Sinnbild für taxonomisches Unwissen: sie bleiben in der Regel unbeschrieben und sind somit in der Forschung und im Naturschutz praktisch nicht existent. Innerhalb einer „Kryptospezies“ können sich bis zu Hunderte einzelner Arten verstecken, die nahezu identisch aussehen und sich nur anhand ihres Erbgutes (DNA) voneinander unterscheiden. Sie sind zwar verborgen, tragen laut Lörz dennoch einen wesentlichen Anteil zur globalen Biodiversität bei.
Auf Expeditionen nahe Island wurden Proben im Nordatlantik für die Studie gesammelt, in denen die Wissenschaftlerinnen um Lörz Variationen der Flohkrebs-Familie Lepechinellidae fanden. Diese Tierchen werden etwa einen Zentimeter groß und leben vorwiegend in der Tiefsee, unterhalb von 1.000 Metern. Trotz verschiedener Morphologie gehören sie genetisch (per COI sowie 16S Sequenzen) zur gleichen Art – obwohl sie zuvor unterschiedlich beschrieben wurden. „Ein seltenes Beispiel für die bisher überschätzte Biodiversität im Nord-Atlantik“, resümiert Lörz, die bei dieser Untersuchung erstmalig Augen bei den Tierchen entdeckte – obwohl Forschende bislang davon ausgingen, dass sie eigentlich gänzlich blind seien.
Die detaillierten Ergebnisse der Studie sind hier nachzulesen.
Kontakt
Dr. Anne-Nina Lörz
Wiss. Mitarbeiterin, Abt. Crustacea
Centrum für Naturkunde
Universität Hamburg
Tel.: +49 40 42838-3676
E-Mail: anne-nina.loerz"AT"uni-hamburg.de