Aus den Tagebüchern der Singvögel
21. Februar 2020
Foto: UHH/CeNak, Tietze
Die neue Leitung der Ornithologie: Dr. Dieter Thomas Tietze.
Zeig mir, wie du singst, und ich sage dir, wo du lebst. Vogelspezialist Thomas Tietze hört genau, ob ein Buchfink aus Ostfriesland oder Bayern stammt. Der Endschnörkel der Melodie klingt in seinen Ohren wie ein Dialekt. Thomas Tietze ist der neue Leiter der wieder eigenständigen Abteilung Ornithologie am CeNak. Er erforscht die Evolution und Ökologie von Vögeln.
Der Wissenschaftler untersucht die genetische wie die kulturelle Evolution, also wie sich der Lebensort eines Singvogels oder ein Ortswechsel auf seinen Gesang auswirkt und ob sich Variationen im Gesang auch genetisch nachweisen lassen. Die Gesangsevolution von Hamburger Baumläufern und Meisen nimmt er dabei genauso in den Fokus wie die Vogelwelt im Himalaya. Er erforscht die Amsel wie den Bienenfresser, den Karmingimpel wie den Weißstorch.
Einen Schwerpunkt setzt Thomas Tietze, der seit 2011 Mitglied des Beirats der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft ist und über die Diversifizierung der Baumläufer promovierte, in der Stadtökologie. Ihn beschäftigt die Frage, wie Vögel ihren Gesang an die Geräuschkulisse im urbanen Raum anpassen. Außerdem analysiert er, welchen Einfluss es auf den Gesang und andere Merkmale wie die Körpergröße hat, wenn bestimmte Arten im Zuge der globalen Erwärmung ihre Brutgebiete Richtung Norden verlagern.
Als Forschungsgrundlage dienen ihm „akustische Tagebücher“ der Singvögel: Er wertet digitale Tonaufnahmen aus. Mithilfe dieser Daten untersucht er, warum manche Arten ein komplexes Gesangsrepertoire haben und, wie der Star, immer neue Laute einbinden oder aber, wie die Kohlmeise, ihr Leben lang ein relativ einfaches Muster in ihrer verbalen Kommunikation beibehalten. Thomas Tietze weiß: „Mit seinem Gesang reflektiert der Vogel seine Umwelt. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Verhaltensweisen, Lebensumfeld und Gesangsstruktur.“
Seine Forschungen zur Biodiversität in Raum und Zeit will Thomas Tietze nach Stationen u. a. an den Universitäten in Mainz, Chicago, Frankfurt und Heidelberg am CeNak einbringen und mit Unterstützung verschiedener Bachelor- und Masterstudentinnen und -studenten sowie der Mitarbeit von Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern vertiefen: „Ich möchte eine Brücke von der Wissenschaft in die Bevölkerung bauen und dauerhaft Hobby-Ornithologen in meine Arbeit mit einbeziehen“, ist sein Plan. „Wir sind hier für den norddeutschen Raum ein bedeutendes Institut und können mit einer großen Referenzsammlung arbeiten.“
Die bestehende Sammlung mit mehr als 71.000 Exemplaren von etwa 3.500 Vogelarten aus aller Welt zu erfassen, zu strukturieren und weiter auszubauen, ist ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit: „Ich gehe wie ein Janus an die Sammlung heran und schaue nach vorne und hinten, möchte also historische Objekte erforschen und bewahren, aber auch perspektivisch ohnehin verstorbene Vögel im Rahmen des Umweltmonitorings in die Sammlung integrieren.“
Die ornithologische Sammlung des CeNak beherbergt z. T. Individuen ausgestorbener Arten mit bedeutendem historischem Kontext, die teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammen. Auch eine Sammlung von tausenden Elstern ist am Hause hinterlegt und mehrere ehemalige Privatsammlungen von Weltreisenden konnten für die Nachwelt gesichert werden. Zusammen mit Cordula Bracker und Mariam Duncker, den technischen Assistentinnen der Abteilung Ornithologie, sowie dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Juan Pablo Gailer und einigen studentischen Hilfskräften arbeitet Thomas Tietze daran, den Gesamtbestand der Sammlung systematisch digital zu erfassen und sowohl für die Wissenschaft als auch die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Wer einen Blick in die Sammlung werfen möchte, hat bei verschiedenen Veranstaltungen, wie der Langen Nacht der Museen, Gelegenheit dazu. Thomas Tietze: „Ich freue mich, allen Interessierten die Schätze der Sammlung vorzustellen und Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für die Mitarbeit in der Sammlung wie auch einigen Forschungsprojekten zu gewinnen.“
Kontakt
Dr. Dieter Thomas Tietze
Abteilungsleiter Ornithologie
Centrum für Naturkunde
Universität Hamburg
Tel. +49 40 42 838-2306
E-Mail: Thomas.Tietze@uni-hamburg.de