Ein dicker Brummer, der nicht fliegt
20. Januar 2020
Foto: Heiko Bellmann/Frank Hecker
Ganz schön aufgebläht: das Maiwurm-Weibchen trägt bis zu 9.500 Eier im Hinterleib.
Unser Schatz des Januars gehört seit 4.000 Jahren zu unserer Kultur und wurde nun zum Insekt des Jahres 2020 gewählt: der schwarzblaue Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) oder auch im Volksmund „Maiwurm“ genannt. Seine Deckflügel bedecken nur einen kleinen Teil des Hinterleibs und sind zum Fliegen leider ungeeignet. Dafür produziert er das Reizgift Cantharidin, dass im Laufe der Menschheitsgeschichte vielfältige Anwendungen fand. Die CeNak-Sammlung umfasst etliche Exemplare der Art Meloe proscarabaeus, die vor allem in Hamburg und Umgebung gefunden wurden. Die ältesten Funde sind um das Jahr 1900 gesammelt worden.
Liebestränke, Giftmorde und Wehenpflaster
Ölkäfer sind eine diverse Käferfamilie mit 7500 Arten; eine Art innerhalb der Ölkäfer ist die „Spanische Fliege“. Erwähnung findet das Gift dieses Ölkäfers bereits in einem altägyptischen Papyrus aus dem Jahr 1550 vor Christus. In ein Pflaster verarbeitet sollte es Wehen erzeugen und Geburten dadurch erleichtern. Aufgelöst in Honig soll das Gift der „Spanischen Fliege“ als Aphrodisiakum, also potenzsteigernd wirken. Falsch gemischt führt dieses Tonikum allerdings eher in den sicheren Tod. Das Gift eines einzigen Käfers reicht aus, um einen erwachsenen Menschen in den ewigen Schlaf zu schicken. Dieses Potenzial erkannten schon die antiken Griechen, die es für Hinrichtungen verwendeten.
Nicht nur Menschen möchten an das „Öl“ des Käfers
Der Ölkäfer nutzt das Cantharidin zur Selbstverteidigung vor Ameisen und Laufkäfern: bei Gefahr sondert er eine gelbe Flüssigkeit aus Poren an den Beingelenken ab, die stark an Öltröpfchen erinnert. So kam die Käfergruppe zu ihrem prägnanten Namen. Bestimmte Fressfeinde, wie Igel oder Vögel, sind allerdings gegen das Gift immun. Einige Käfer-, Wanzen- und Gnitzenarten werden sogar davon angezogen und nutzen es zur eigenen Verteidigung. Häufig sind Gnitzen zwischen den Hinterleibsringen des Käfers zu finden, die versuchen an die begehrte Verteidigungsflüssigkeit zu kommen. Die Hinterbeine sind die einzige Waffe im Schutz gegen diese lästigen Parasiten – die allerdings meist wirkungslos bleibt.
Ohne Wirt kein Nachwuchs
Bis zu 9.500 Eier kann ein einziges Weibchen in einem Abstand von bis zu zwei Wochen produzieren und im Hinterleib mit sich herumtragen. Bis zu sechs Mal kann sie diesen Vorgang wiederholen. Trotz dieser enormen Vermehrungskraft steht der Ölkäfer in Deutschland auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Denn um auszuwachsen sind die Larven auf bodennistende Wildbienen angewiesen. Sie klettern auf Blüten und warten dort auf die richtige Mitfluggelegenheit. Wenn alles klappt, bringt eine Wildbiene die Ölkäferlarve in ihr Bienennest, wo sie sich über Eier und Pollenvorräte ihres Gastgebers hermacht. Nach der Überwinterung im Boden schlüpfen die Käfer zwischen März und Mai. Leider geht bei diesem Vorgang häufig etwas schief, sodass Experten schätzen, dass nur aus jeder tausendsten Larve ein ausgewachsener Ölkäfer wird.
Vom Aussterben bedroht
Insgesamt dauert es zwei Jahre, bis aus einem Ei ein fertiges Insekt geworden ist. Voll entwickelt liegt die Lebenszeit bei nur etwa einem Monat. Heute leben mehr als 30 Arten aus der Familie der Ölkäfer in Mitteleuropa. Der Maiwurm kommt am häufigsten vor. Der NABU führt die Bestandsabnahme in erster Linie auf den Lebensraumverlust sowie den Straßenverkehr zurück. Da die Entwicklung vom Ei zum ausgewachsenen Tier so störungsanfällig ist, können schon kleine Veränderungen zu großen Ausfällen führen. Marianna Simoes, Kuratorin in der CeNak-Abteilung Entomologie, begrüßt die Wahl zum Insekt des Jahres des Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut (SDEI) in Müncheberg: „Der Ölkäfer zeigt, dass nicht nur wir Menschen stark von den Bienen abhängig sind. Mit dem Aussterben der Bienen, sind nicht nur wir Menschen, sondern zahlreiche faszinierende Tiere in großer Gefahr.“