Klimaforschung am CeNak: Blick zurück nach vorn
11. September 2019
Foto: UHH, Milker
In einer Salzmarsch an der südlichen Nordseeküste nehmen Doktorandin Dorothea Bunzel und die Studierenden Carina Sievers und Paul Kowalski (v.l.) im Herbst 2018 Proben zur Auswertung.
In Hamburg steht vom 22. bis 29. September das Klima im Fokus vieler Diskussionen und Aktionen. Anlässlich der 11. Hamburger Klimawoche haben wir den Paläoklimatologen Ulrich Kotthoff gefragt, wie am CeNak Klimaforschung betrieben wird. Zusammen mit Yvonne Milker, Wissenschaftlerin am Institut für Geologie der Uni Hamburg, blickt er zurück in die Erdgeschichte. Die Forschung der Paläoklimatologen kann auch Hinweise auf zukünftige Entwicklungen geben und helfen, von Menschen verursachte Klimaänderungen von natürlichen zu unterscheiden.
Wie erforschen Sie die Ursachen und Ausmaße von klimatischen Veränderungen?
Ulrich Kotthoff:
Wir arbeiten mit sogenannten „Proxy-Daten“. Wir können ja nicht in die Vergangenheit zurückreisen und zum Beispiel die Temperatur messen. Aber Fossilien von Pflanzen können uns zum Beispiel verraten, welche Vegetation an einem bestimmten Ort vorherrschte, und die Pflanzenwelt hängt natürlich vom Klima ab. Besonders gut für solche Vegetationsanalysen eignen sich Pollenkörner, die wir in Ablagerungen und Sedimentgesteinen finden können.
Yvonne Milker:
Gehäusetragende und am Meeresboden lebende einzellige Mikrofossilien (sogenannte Foraminiferen) können uns außerdem einen Einblick über die Lebensbedingungen am Meeresboden in der Vergangenheit geben. Sie können uns beispielsweise zeigen, wie gut die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen zu einer bestimmten Zeit war. Um dies zu erforschen, kann man sich Sedimentproben aus Bohrkernen anschauen, die mithilfe von Forschungsschiffen erbohrt werden und unterschiedlich weit in die Vergangenheit zurückreichen.
Inwiefern ergänzen sich Klimaforschung an Land und am Meer?
Ulrich Kotthoff:
Wenn wir uns Bohrkerne von küstennahen Bohrungen anschauen, können wir darin sowohl Pollenkörner als auch Überreste von Algen finden…
Yvonne Milker:
Und Gehäuse von Foraminiferen (Einzellern)!
Ulrich Kotthoff:
Genau. Und dann können wir direkt vergleichen, ob sich zum Beispiel eine Erwärmung oder mehr Niederschläge im Landbereich auch im marinen Bereich ausgewirkt haben, zum Beispiel durch Änderung des Eintrags von Nährstoffen ins Meer.
Yvonne Milker:
Über die Häufigkeit von bestimmten Foraminiferen, von denen einige Arten auch in Salzmarschen vorkommen und die dort eine Zonierung mit der Höhe aufweisen, können wir dann auch sehen, ob beispielsweise höhere Temperaturen auch einen Anstieg des Meeresspiegels bewirkt haben bzw. bewirken.
Wann sprechen wir von natürlichen Klimaveränderungen? Wie sähe das Klima heute ohne die Einflussnahme von uns Menschen aus? Welchen Anteil haben wir an den Veränderungen?
Ulrich Kotthoff:
Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die ganz ohne menschlichen Einfluss zu Klimaänderungen führen. Ein Aspekt sind die sogenannten orbitalen Zyklen: Änderungen der Umlaufbahn der Erde um die Sonne oder auch Änderungen des Winkels, in dem die Erdachse im Verhältnis zur Umlaufbahn geneigt ist, sorgen dafür, dass mal die Nord-, mal die Südhalbkugel mehr Sonnenenergie abbekommt. Das geschieht aber auf Zeitskalen von mehreren tausend Jahren. Wir würden zum Beispiel für die vergangenen rund 14.000 Jahre und die kommenden Jahrtausende einen Trend zu sinkenden Sommer- und steigenden Wintertemperaturen erwarten und insgesamt eher einen Abkühlungstrend.
Yvonne Milker:
Es gibt aber auch kurzfristigere natürliche Änderungen – wenn zum Beispiel abschmelzendes Eis Meeresströmungen verändert. Und Vulkanismus kann ebenfalls zu rascheren Klimaänderungen führen. Solche Änderungen können wir in Bohrkernen nachweisen.
Ulrich Kotthoff:
Es ist für mich aber keine Frage, dass wir gerade Klimaänderungen erleben, an denen der Mensch intensiv beteiligt ist. Das Problem ist, dass die Änderungen zum Teil so rasch von statten gehen, dass wir dazu in der Erdgeschichte kaum Analoge finden können. Zum Beispiel hatten wir zuletzt vor etwa 15 Millionen Jahren so hohe CO2-Werte wie heute in der Atmosphäre, aber damals hat es sicher länger gedauert, bis diese hohen Werte erreicht wurden. Zu dieser Zeit hatten wir in Deutschland etwa 6 °C höhere Temperaturen als heute.
Welche Veränderungen beobachten Sie für die Nord- und Ostsee? Und wie sieht es im Vergleich mit den Ozeanen aus?
Yvonne Milker:
An der Nordseeküste, so haben unsere Studien gezeigt, halten die Salzmarschen, die eine wichtige Schutzfunktion für die küstennahen Bereiche haben, derzeit dem ansteigenden Meeresspiegel noch stand. Wie sich das in der Zukunft entwickelt, können wir derzeit noch nicht absehen. In der Nordsee selbst sehen wir teilweise andere Arten von Foraminiferen und auch deformierte Gehäuse, die auf einen menschlichen Einfluss auf das Ökosystem Nordsee nahe legen, z. B. durch Einbringung von Düngemitteln aus der Landwirtschaft und anderer Schadstoffe aus der Industrie über die größeren Flusssysteme wie die Elbe.
Ulrich Kotthoff:
Man darf nicht unterschätzen, was für eine große Pufferfunktion die Ozeane übernehmen. Hier helfen Klimamodelle bei der Verbildlichung der Zeitspanne, in denen sich Änderungen in einem Bereich auf einen anderen auswirken.
Weitere Informationen
Forschungsabteilung Paläontologie
Ulrich Kotthoff
Centrum für Naturkunde
Bundesstrasse 55, Raum R. 1112
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Tel. +49 40 42838-5009
E-Mail: Ulrich.Kotthoff"AT"uni-hamburg.de