Zahnspuren bei Schuppenechsen: Hinweise auf Ernährungsweise von Urzeittieren?
20. Juni 2019
Foto: Daniela E. Winkler, Michelle Aimée Oesch
Raue Schmelzoberfläche eines Muschel- und Schneckenfressers (Nilwaran): Mikroskopische Aufnahmen des Zahnschmelzes von Schuppenechsen (hier symbolhaft eine Bartagame) zeigen deren Ernährungsgewohnheiten.
Wie haben sich ausgestorbene Dinosaurier und frühe Vorfahren der Säugetiere ernährt? Die Zähne von Schuppenechsen könnten neue Hinweise liefern. CeNak-Paläoanthropologe Thomas M. Kaiser hat mit einem Team der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und dem Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie systematisch die Oberflächenstruktur der Zähne von Eidechsen und Brückenechsen untersucht.
Manche der Tiere ernähren sich von Pflanzen oder Fleisch, andere wiederum haben sich auf Algen, Früchte, Insekten, Eier oder Schnecken spezialisiert – oder sind Allesfresser. Anhand der Rauheit, der Dichte und Tiefe von Oberflächenfurchen des Zahnschmelzes konnten die Forscherinnen und Forscher die Ernährungsweise der Tiere treffsicher zuordnen. Die mikroskopischen 3D Modelle ermöglichen dabei nicht nur die Unterscheidung in Fleisch- und Pflanzenfresser. Auch feinere Einordnungen, etwa in Algen-, Frucht- oder Weichtierfresser, sind möglich.
Zahnanalyse bei präparierten Echsen
Insgesamt hatten die Forscherinnen und Forscher für ihre Studie die Oberkieferzähne von 77 präparierten Echsen aus freier Wildbahn untersucht, die zu 23 noch heute lebenden Arten gehören. Sie stammen aus naturkundlichen Sammlungen wie der des CeNak. Teilweise wurden Kieferstücke mit Zähnen direkt unter einem Konfokalmikroskop untersucht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fertigten aber auch Silikonabdrücke der Zähne an und machten davon Aufnahmen.
Anschließend erstellten sie 3D-Oberflächenmodelle der Zähne und werteten diese nach 46 verschiedenen Merkmalen aus. Der Zahnschmelz der Fleischfresser zeigt zum Beispiel nur wenige und flache Furchen, der der Fruchtfresser hingegen ist stark gefurcht. Und das, obwohl die meisten der 23 analysierten Echsenarten gar nicht wirklich kauen. Deshalb war zunächst auch nicht davon auszugehen, überhaupt aussagekräftige Spuren zu finden.
Schlüsselereignis der Evolution und neue Forschungsansätze
Die Zähne der untersuchten Eidechsen und Brückenechsen ähneln denen von ausgestorbenen Dinosauriern und Synapsiden stark. Synapsiden sind säugetierähnliche Reptilien, die vor rund 310 Millionen Jahren auf der Erde lebten – und damit 70 Millionen Jahre früher als Dinosaurier. Einige von ihnen entwickelten sich von Fleisch- zu Pflanzenfressern, ein Schlüsselereignis der Evolution. „Bislang war es kaum möglich zu entschlüsseln, wie Dinosaurier reagierten, wenn sich etwa durch raschen Klimawandel die Nahrungsgrundlage veränderte“, erklärt CeNak-Paläoanthropologe Thomas M. Kaiser. Das Team erhofft sich nun, den Ursprung der Pflanzenfresser unter den landlebenden Wirbeltieren zu finden und damit auch neue Ansätze in der evolutionsbiologischen Forschung.
Veröffentlichung
D. E. Winkler, E. Schulz-Kornas, T. M. Kaiser, T. Tütken
Dental microwear texture reflects dietary tendencies in extant Lepidosauria despite their limited use of oral food processing
Proceedings of the Royal Society B, 22. Mai 2019
http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2019.0544
Weitere Informationen und Kontakt
Forschungsabteilung Mammalogie / Paläoanthropologie
Prof. Dr. Thomas M. Kaiser
Abteilungsleiter Mammalogie
Centrum für Naturkunde
Martin-Luther-King-Platz 3, Raum R. 240
20146 Hamburg
Tel. +49 40 42 838-7653
E-Mail: Thomas.Kaiser"AT"uni-hamburg.de