Neue Perspektive für die Rekonstruktion der Evolution?
9. Januar 2019
Foto: pixabay.com/violetta
Meerschweinchen haben viel Appetit und helfen den Forscherinnen und Forschern, die Lebensräume ausgestorbener Arten festzustellen.
Die Zahnabnutzung kann Aufschluss über die Ernährungsweisen und Lebensräume ausgestorbener Wirbeltiere geben. Welche Eigenschaften von Pflanzen für die Abnutzung ausschlaggebend sind, zeigt eine im Fachmagazin „PNAS“ erschienene Studie unter Beteiligung der Universität Hamburg. Im Interview erläutert Thomas Kaiser vom CeNak die Erkenntnisse.
"Wenn wir die Biologie und Evolution fossiler Säugetiere und Vormenschen rekonstruieren wollen, haben wir nur wenige Hinweise – und einer davon sind die Spuren, die wir auf den Zähnen finden. Sie überdauern Jahrmillionen und zusammen mit Knochen sind das meist die einzigen Funde", sagt Thomas Kaiser. Der Forscher leitet die Abteilung Mammalogie des Centrums für Naturkunde. Er wollte mit einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Hamburg, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere der Universität Zürich, der Universität Gent sowie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig wissen, welchen Anteil der Lebensraum am Zahnabrieb der Fossilien hatte.
Dazu mussten die Forscherinnen und Forscher Experimente durchführen und dazu unter anderem – erstmals in einer Studie – systematisch den Staub von den Oberflächen der Pflanzen abwaschen, um zu sehen, welche Spuren die Pflanze auf den Zähnen verursacht. Gefüttert wurden dazu Meerschweinchen. Denn die Tiere haben als Pflanzenfresser ein sehr breites Nahrungsspektrum. "Wir haben sie mit Luzerne, Gras und Bambus gefüttert – Pflanzen, die unterschiedlich viel Siliziumdioxid, sogenannte Phytolithe, enthalten. Das ist der Bestandteil der Pflanze, der die Zähne abschleift", erklärt Thomas Kaiser.
Anschließend wurden die Zahnoberflächen im Hamburger Texturlabor digital vermessen. Anhand von Zahntexturen können die Forscherinnnen und Forscher ablesen, wie viel Gras- oder Blattnahrung aufgenommen wurde – und somit auf die Lebensräume der jeweiligen Arten schließen. Überraschend stellte das Team fest, dass sich Gräser unter Umständen genauso verhalten können wie Blattnahrung. Welche Schlüsse Thomas Kaiser nun für die Betrachtung alter und neuer Fossilienfunde zieht, erklärt er im Newsroom der Universität Hamburg.