Wildgewordene Viren – Anatomie einer angekündigten Pandemie

Warum von Wildtieren auf den Menschen überspringende Virusinfektionen zunehmen und wie tierische Krankheiten zu verheerenden Seuchen werden

Weltweit schlummern zahllose Viren in Tieren, die auch Menschen infizieren können. Solche Zoonosen – vom Tier auf den Mensch überspringende Krankheiten – nehmen durch die Zahl und Aktivitäten des Menschen zu; sie könnten bald noch gefährlichere Pandemien verursachen als die gegenwärtige Corona-Krise 2020-2022.

Im Mittelpunkt der Infektionen und Seuchen, die auf den Menschen überschwappen, stehen deshalb Tiere: neben unseren Nutztieren wie Rindern und Schweinen vor allem verschiedene Wildtiere – exotische wie Fledermäuse oder Larvenroller und weniger exotische wie Mäuse und Ratten. Wie durch Viren ausgelöste Infektionen aus einem tierischen Reservoir über Zwischenwirte auf den Menschen überspringen, haben Forscher exemplarisch für Ebola und HIV in Afrika, aber auch für Sars und Corona in Asien untersucht. Daran waren stets Wildtiere wie Schimpansen und Schuppentiere (Pangoline) beteiligt, während oft Fledertiere – d.h. Flughunde und Fledermäuse – als tierische Reservoirs erkannt wurden.

Über die akuten medizinischen Fragen und wirtschaftlichen Probleme hinaus geht es auch um die eigentlichen Ursachen der jüngsten globalen Verwerfungen durch die Corona-Krise. Durch eine evolutionsbiologische Perspektive auf Epidemien lässt sich die aktuelle Pandemie, wie sie entstehen konnte und was wir zukünftig dagegen tun können, besser einordnen. Denn auch Sars-CoV-2 ist keine „Naturkatastrophe in Zeitlupe“, wie Virologen oft meinen. Vielmehr liefert das Coronavirus Anschauungsunterricht für Evolution in Echtzeit – dafür, wie Viren immer schon die Menschheit, ihre Geschichte und Geschicke beeinflusst haben. Und heute dafür, wie der Mensch neuerdings selbst die Voraussetzungen für neue Seuchen schafft.

Denn Viren-Ausbrüche stoßen uns nicht zufällig zu; vielmehr spiegeln sie unsere Verhaltensweisen und unseren Umgang mit der Natur. Wo Biodiversität sinkt und der Kontakt des Menschen mit Wildtieren zunimmt, kommt es vermehrt zum Ausbruch von Seuchen. Je mehr der natürlichen Ökosysteme wir zerstören, desto größer die Gefahr, dass immer mehr Menschen mit neuen Krankheitserregern in Kontakt kommen, die bisher mit Wildtieren koexistierten.

Überbevölkerung, Urbanisierung und Globalisierung, die fortschreitende Zerstörung und Zerstückelung natürlicher Lebensräume der Tiere und das Artensterben – der Faktor Mensch liefert die äußeren Bedingungen und macht pandemische Zoonosen zur prägnanten Signatur der Moderne; mit fatalen Auswirkungen auf unser Leben ebenso wie das Leben vieler Menschen weltweit.

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