Artensterben: Ursachen + Fakten
Vom Verlust der Vielfalt und dem Aussterben der Arten
Die biologische Vielfalt an Arten von Tieren und Pflanzen ist der wahre Reichtum dieses Planeten. Es hat Millionen Jahre gedauert, bis sich diese heutige Biodiversität entwickelt hat. Nun aber verschwindet die Artenvielfalt in kürzester Zeit – immer mehr und immer schneller. Viele Fachleute befürchten, dass wir uns bereits in einem weiteren großen globalen Massensterben befinden, wie es sie – im Verlauf der Evolution durch natürliche Ursachen bedingt – wenigstens ein halbes Dutzend Mal gegeben hat.
Einmal ausgestorbene Arten aber bekommen wir nicht mehr zurück; und bis neue Arten entstehen und mit ihnen eine neue Biodiversität, vergehen Hunderttausende von Jahren, gar Jahrmillionen. Was wir derzeit betreiben, ist deshalb gleichsam ein Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit; denn wir Menschen vernichten die Produkte der Evolution der Vergangenheit, ohne die aber die Lebensräume der Erde keine Zukunft haben werden. Es wäre „das Ende der Evolution“, wie wir sie kennen. Einst beim Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren war die Ursache ein auf der Erde einschlagender Meteorit; diesmal sind wir – eine sich immer weiter ausbreitende Menschheit – die Ursache. Wir kappen verstärkt seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – dem auch deshalb so benannten Anthropozän (der „Menschenzeit“) – zahllose biologische Entwicklungslinien, die einst zusammen mit dem Homo sapiens entstanden, deren Evolution wir jetzt aber beenden.
Tatsächlich ist der Mensch längst zum entscheidenden Evolutionsfaktor auf der Erde geworden. Wir dominieren drei Viertel der Landoberfläche. Wir übernutzen und überfordern Lebensräume, zu Wasser wie an Land. Unsere Umwelt auszubeuten und anschließend weiterzuziehen, ist zwar tief in der Natur des Menschen verankert; und lange schien das durchaus eine erfolgreiche Strategie. Jetzt aber verprassen wir das evolutive Erbe dieser Erde. Doch mit den Arten, ihrer Vielfalt und den vielfältigen unentgeltlichen Dienstleistungen für den Menschen vernichten wir auch unsere eigene Lebensgrundlage.
Die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf ein erträgliches Maß zu begrenzen, ist ein globales Zukunftsprojekt. Es erfordert unsere Aufmerksamkeit, aber auch transnational eine gemeinsame Politik. Für den Einzelnen wie die Gesamtheit geht es zukünftig darum, wie wir leben, wie wir unsere Landschaft und unsere Städte gestalten, wie wir und welche Ressourcen wir verbrauchen. Wir müssen Natur und Wildnis schützen; wir müssen dabei sowohl großflächig Naturlandschaften wirkungsvoll schützen wie auch möglichst naturnahe Lebensräume erhalten oder diese wieder erschaffen. Wir müssen dem Leben, den Arten und der biologischen Vielfalt wieder mehr Raum geben.
Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität
Das Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität (Leibniz Biodiversität) bündelt die Kompetenzen der Leibniz-Einrichtungen der Umwelt-, Sozial-, Lebens-, Raum- und Wirtschaftswissenschaften, um nachhaltige Lösungsvorschläge zu entwickeln. In den 10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung legen 45 Wissenschaftler-innen und Wissenschaftler fundiert und allgemein verständlich Fakten zur biologischen Vielfalt dar.
Essay zum Verschwinden der Arten als der Krise des 21. Jahrhunderts
Bedrohlicher als der Klimawandel: Das größte Aussterben seit 66 Millionen Jahren wird auch den Menschen treffen. Von Matthias Glaubrecht
Weitere Artikel:
- https://www.choices.de/wir-leisten-uns-falsche-repraesentanten-thema-1122
- https://www.tagesspiegel.de/politik/artenschutz-als-ignoriertes-thema-das-biologische-analphabetentum-der-politik-bringt-uns-noch-alle-um/27975842.html
- https://www.rnd.de/wissen/evolutionsbiologe-zum-artensterben-wir-sehen-gerade-nur-die-spitze-des-eisberges-XYZP5IZWANFE7JE3WOLTPV3MTM.html
- https://www.cenak.uni-hamburg.de/uebercenak/medienecho/21-01-geo-glaubrecht-artenvielfalt.pdf
- https://www.welt.de/wissenschaft/plus221351430/Artensterben-Gleich-zwei-europaeische-Tierarten-sind-akut-bedroht.html
Aktueller IPBES-Bericht zum Artensterben
- IPBES 2018. Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. The assessment report on land degradation and restoration. Secretariat of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, Bonn.
- IPBES 2019. Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. The global assessment report on biodiversity and ecosystem services. Secretariat of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, Bonn.
https://ipbes.net/news/Media-Release-Global-Assessment
- Díaz, S. et al. 2019. Pervasive human-driven decline of life on Earth points to the need for transformative change. – Science, 366: DOI: 10.1126/science.aax3100
https://science.sciencemag.org/content/366/6471/eaax3100
Wissenschaftliche Studien – eine kleine Auswahl zehn wichtiger aktueller Publikationen
- Ceballos, G., Ehrlich, P. R. 2002. Mammal population losses and the extinction crisis. – Science, 296: 904–907.
- Ceballos, G., Ehrlich, P. R. 2018. The misunderstood sixth mass extinction. – Science, 360: 1080–1081.
- Ceballos, G., Ehrlich, P. R., Dirzo, R. 2017. Biological annihilation via the ongoing sixth mass extinction signaled by vertebrate population losses and declines. – Proceedings of the National Academy of Science, 114: E6089–E6096.
- Ceballos, G., Ehrlich, P. R., Raven, P. R. 2020. Vertebrates on the brink as indicators of biological annihilation and the sixth mass extinction. – Proceedings of the National Academy of Science, 117 (24) 13596-13602.
- Crist, E., Mora, C., Engelman, R. 2017. The interaction of human population, food production, and biodiversity protection. – Science, 356: 260–264.
- Dinerstein, E. et al. 2017. An ecoregion-based approach to protecting half the terrestrial realm. – BioScience, 67(6): 534–545.
- Dinerstein, E. et al. 2019. A global deal for nature: guiding principles, milestones, and targets. – Science Advances, 5: eaaw2869.
- Dinerstein, E. et al. 2020. A “Global Safety Net” to reverse biodiversity loss and stabilize Earth’s climate. – Science Advances, 6: eabb2824.
- Dirzo, R. et al. 2014. Defaunation in the Anthropocene. – Science, 345: 401–406.
- Pimm, S. L. et al. 2014. The biodiversity of species and their rates of extinction, distribution, and protection. – Science, 344: 987, 1246752.