Kleiner Nager mit großem AppetitDie Steinlaus ist unser Schatz des Monats April
1. April 2019
Foto: UHH/CeNak, Möckel
Das markanteste Merkmal der Steinlaus ist ihr ausgeprägtes Gebiss, mit dem sie große Mengen Stein und Beton zerkleinern kann.
Erstmals wurde die Steinlaus 1976 von einem deutschen Zoologen öffentlich bekannt gemacht. Beschrieben wurde der steineverspeisende Nager dann Jahre später im medizinischen Wörterbuch Pschyrembel. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des CeNak konnten nun lebende Exemplare der gemeinen Steinlaus (Petrophaga lorioti) beobachten. Die Laus mit dem ungewöhnlichen Speiseplan ist unser Schatz des Monats April.
Die Population im CeNak
Aufgefallen ist die Anwesenheit des kleinen Nagers durch Verluste bei Gesteinsproben der geologischen Sammlung, sowie angefressenen Objekten im Paläontologischen Museum. Auch in der Mineralogie konnte ein gewisser Schwund bei Erzen und Mineralen, vor allem aber bei Meteoriten und außerirdischen Gesteinen von Mond und Mars festgestellt werden. Mit in den Sammlungen aufgestellten Fotofallen kamen CeNak-Mitarbeitende den Tieren mit der Steinvorliebe auf die Spur. Mittlerweile haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einige Exemplare unter hochauflösenden Mikroskopen als gemeine Steinlaus identifiziert.
Lebensweise und Ernährung
Mit 0,3 bis 3 Millimetern ist die Steinlaus das kleinste einheimische Nagetier. Über ihr weltweites Vorkommen liegen keine gesicherten Daten vor, da ihre Bestände immer wieder starken Schwankungen ausgesetzt sind. Ihre typischen Lebensräume sind Gebirge, Wüsten und Großstädte. Die Art benötigt ausreichende Vorkommen ihrer bevorzugten Nahrung, nämlich jegliche Art von Gestein oder Beton: bis zu 28 Kilogramm davon frisst eine ausgewachsene Steinlaus täglich. Arten, die sich auf Nieren-, Blasen-, Gallen- oder Zahnstein spezialisiert haben, könnten zukünftig für therapeutische Zwecke hinzugezogen werden.
Steinlausforschung als neuer Schwerpunkt
Generell ist die Familie der Lapivora artenreich und hat eine Vielzahl an Steinlausspezies hervorgebracht. Deshalb könnte sie zukünftig zu einem wichtigen Forschungsschwerpunkt in der Biodiversitäts- und Evolutionsforschung am CeNak avancieren. Die Auswirkungen des Klimawandels oder der menschlichen Zivilisation auf die Verbreitung und Entwicklung des kleinen Nagetiers sind noch immer nahezu ungeklärt. Es ist aber bekannt, dass die Berliner Mauer eine wichtige Nahrungsquelle war, was an dem schlagartigen Rückgang des Steinlausbestandes nach dem Fall der Mauer deutlich wurde. Dieser Zusammenhang legt nahe, dass bestimmte Arten der Steinlaus von der menschlichen Lebensweise profitieren können.
„Evolutioneum“ als Steinlaus-Biotop?
Dass sich die Steinlauspopulationen des CeNak insbesondere in den Sammlungen mit außerirdischen Himmelskörpern so wohl fühlen, könnte auch damit zusammenhängen, dass diese Nahrungsquelle den Nagern quasi in den Genen liegt. Forschende vermuten, dass Steinläuse einst durch einen Meteoriteneinschlag auf die Erde gelangten. Möglicherweise haben auch die Gebäude, in denen die Sammlungen des CeNak untergebracht sind, die Steinlaus angelockt, da in ihnen Massen an bestem Beton und andere für die Steinlaus attraktive Materialien verbaut sind. Das geplante neue Naturkundemuseum für Hamburg, das „Evolutioneum“, soll das Gebäudeensemble zukünftig ersetzen. Aktivisten hoffen nun, dass sich die Steinlaus auch dort noch heimisch fühlen wird und nicht in die Elbphilharmonie abwandert.